Volltext: Das Steyrer Kripperl

Das Steyrer Kripperl. 
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netten, d. h. mit kleinen beweglichen Figürchen, die mittels Zug¬ 
fäden dirigiert wurden. Mit den schon im Altertum be¬ 
kannten Marionetten wurden im Mittelalter an 
vielen Orten Weihnachtsspiele von den Priestern 
in den Kirchen gegeben. Magnin berichtet diese Sitte aus 
Spanien, Frankreich und England1). In Spanien verbot erst die Synode 
von Orihuela 1600 die Marionettenspiele am Altar. In Dieppe wurden 
von 1443—1647 Marionettenspiele in der St. Jakobskirche aufgeführt, 
darunter auch das Weihnachtsmysterium. Als im 17. Jahrhundert die 
Marionetten in den Kirchen verboten wurden, zogen sie sich in die Vor¬ 
hallen und an die Pforten der Klöster zurück. In Paris stellten z. B. die 
Theatiner im 17. Jahrhundert Krippenspiele mit Marionetten an der 
Klosterpforte dar. In England bestanden die Marionettenspiele in den 
Kirchen bis zur Kirchenspaltung unter Heinrich VI II.2)" 
Aus diesen Ausführungen zeigt sich uns schon mit voller Deutlich¬ 
keit, daß das Steyrer Kripperl nicht etwas für sich allein Bestehendes ist, 
sondern zu einer Gattung gehört, die mit völliger Gewißheit auf die 
schon im 14. und 15. Jahrhundert nachweisbaren geistlichen Marionetten¬ 
spiele zurückgeht. Nähere Einzelübereinstimmungen, so z. B. die schon 
im Mittelalter nachweisbare Gepflogenheit, jene Marionetten-Krippen¬ 
figuren auch mit wirklichen Stoffen zu bekleiden3), ganz wie dies noch heute 
v bei den Steyrer Krippenfiguren der Brauch ist, machen diesen Zusammen¬ 
hang noch klarer. 
Von dieser Entwicklungsstufe aus, ergibt sich uns auch ein sehr inter¬ 
essanter Seitenblick auf die Entwicklungsgeschichte der Weihnachts¬ 
krippe überhaupt. Wenn es nämlich wohl für jeden nicht näher Ein¬ 
geweihten zunächst den Anschein hat, als ob die unbewegliche Weih¬ 
nachtskrippe mit den festen, geschnitzten Figuren das ältere sei oder 
doch eine selbständige Entstehungsgeschichte habe, so zeigt uns die 
Arbeit Hagers, daß sich die Sache in Wahrheit gerade umgekehrt verhält: 
Die Spiele sind das ältere, und die feste Weihnachts-Figurenkrippe 
ist erst verhältnismäßig spät aus den Spielen, und zwar namentlich 
aus den ^Marionettenspielen entstanden. Die Krippen-Puppen¬ 
spiele sind also die Mutter unserer heute üblichen festen, unbeweg¬ 
lichen Figuren-Weihnachtskrippe. Diese letztere, also die rein plastische 
Darstellung der Geburt Christi, das plastische Krippenbild, ist nur eine 
fest gewordene Augenblicksdarstellung aus dem Krippenspiel. Und selbst 
die Krippendarstellungen ,,als Reliefs auf spätgotischen Flügelaltären 
sind nichts anderes als die in Holz übersetzten geistlichen Schauspiele 
jener Zeit"4). Hager weist geradezu nach, daß die Flügelaltarreliefs, die 
1) Magnin Ch., Histoire des marionettes, 1852. 
2) G. H a g e r, a. a. 0.} S. 18. — K. E n g e 1, Deutsche Puppenkomödien, XII.» 
1892. 
3) G. Hager, a.a.O., S. 26. 
4) W. Lüb ke, Gesch. d. Plastik, IP (1880), S. 683 f.
	        
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