Volltext: Der Krieg der versäumten Gelegenheiten

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Reiches irgend etwas, was er für das deutsche Volk für richtig hielt, nicht 
auszusprechen wagte aus Angst, seinen Ministersessel verlassen zu müssen. 
Es ist der Vorwurf gegen die Führung Ost erhoben worden, daß es 
besser gewesen wäre, die aus dem Westen ankommenden Truppen nicht 
einzeln je nach dem Eintreffen, sondern einheitlich einzusetzen, um die 
Operationen des umfassenden Angriffs des russischen Nordflügels noch ein¬ 
mal zu wiederholen. Ich glaube nicht, daß wir, nachdem das Moment der 
Überraschung, das uns bei dem ersten Angriff von Thorn her unterstützt 
hatte, in Fortfall gekommen war, viel mehr erreicht haben würden, während 
ohne beschleunigten Einsatz der Truppen, wie sie gerade kamen, die Lage 
an einzelnen Punkten der 9. Armee doch immer wieder etwas bedenklich war. 
Anders wäre eS natürlich gewesen, hätte die deutsche Oberste Heeres¬ 
leitung erkannt, daß das Kriegsglück ihr die Möglichkeit bot, dem russischen 
Heere einen so vernichtenden Schlag zu versetzen, daß es sich davon niemals 
wieder hätte erholen können. Hätte sie rechtzeitig das Bataillieren beiPpern 
eingestellt und von dort sowie aus der übrigen Front Truppen für den Osten 
herausgezogen und sich zu einer großzügigen Operation entschlossen, so hatte 
sie eine sichere Aussicht auf einen solchen Erfolg. Nehmen wir an, daß der 
Zufluß der Verstärkungen aus dem Westen so rechtzeitig gekommen wäre, 
daß sich der Rückschlag von Brzeziny vermeiden ließ und die Umfassungs¬ 
bewegung gegen die Armee Scheidemann zur vollen Auswirkung kam, so 
wäre die Masse des russischen Heeres in dem Weichselbogen zusammen¬ 
gedrängt worden. Noch steigern konnte man die Größe der russischen Nieder¬ 
lage, wenn man gleichzeitig mit dem Ansetzen des Umfassungsangriffs bei 
Lodz einen Vorstoß unternahm mit einigen Armeekorps aus der Gegend 
von Mlawa in Richtung Warschau hinter die Weichsel. Die russische 
Heeresleitung hatte um diese Zeit alle stärkeren Kräfte von dem nördlichen 
Weichselufer zur Abwehr des Angriffs der 9. Armee auf das südliche 
herübergezogen. War eS doch dem Landsturm des Korps Zaftrow, verstärkt 
nur durch die 2. und 4. Kavalleriedivision, möglich, bis in die Linie Ciecha- 
now — PraSnysz zu kommen. Ein Vorstoß von zwei bis drei kampfkräftigen 
Armeekorps hätte also mit Leichtigkeit Warschau und die große Warschauer 
Bahn, die Hauptzufuhrlinie des russischen Heeres, erreicht. Die Folgen 
einer solchen Operation sind kaum auszudenken. Ich habe damals den Chef 
der Operationsabteilung, Oberst Tappen, der sich vorübergehend in Posen 
aufhielt, in seinem Eisenbahnabteil beinahe kniefällig gebeten, dem Ober¬
	        
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