Volltext: Jüdische Herkunft und Literaturwissenschaft

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Einfluß des verjudeten Berlins anging, einfach totzumachen versucht — 
und kein Mächtiger fand sich, der ihr half. 
Unter den bedeutenderen Dichtern sind, wie bemerkt, zunächst noch 
wenig Juden. Karl Bleibtreu (aus Berlin, 1859 geb.), der Sohn des 
berühmten Schlachtenmalers, ist Halbjude, aber sein Schaffen eigent 
lich nicht jüdisch. Als Dichter ganz unbedeutend ist der Jude Leopold 
Jacoby (aus Lauenburg in Pommern, 1840—1895), der gern der 
„Dichter des Proletariats" geheißen hätte. Alfred Kalis eher (aus 
Thorn, 1842—1909) schrieb u. a. einen „Spartakus", war aber mehr 
Schriftsteller als Dichter. Auch Eduard Engel (aus Stolp in Pom 
mern, 1851 geb.), der Literaturgeschichtschreiber (s. o. S. 26), will als 
Dichter nicht viel besagen. Nicht klar bin ich mir über Oskar Panizza 
(aus Kissingen, 1853—1921), der, selbst Irrenarzt, in einer Irren- 
anstalt endete. Er wollte einer Hugenottenfamilie entstammt sein, aber 
dagegen spricht doch wohl der Name. Der Berliner Rechtsanwalt und 
Dramatiker Richard Grelling (aus Berlin, 1853 geb.) hat ja während 
des Weltkriegs ausreichend dargetan, daß er kein Deutscher ist („J’ac- 
cuse“). Epigrammatisches Talent und daneben die übliche jüdische Ge 
schäftigkeit erwies David Haek (aus Budapest, 1854 geb.) — jetzt 
hört man nichts mehr von ihm. Breslauer Theaterdirektor wurde Theo 
dor Loewe (aus Wien, 1855 geb.), der auch einiges Dichterische ver 
öffentlichte. Im Semigotha, Allianzenband, steht Richard Freiherr von 
Fuchs-Nordhoff (aus Möckern, 1855—1897), übrigens nicht gerade von 
altem Adel, weil er die Schauspielerin Franziska Ellmenreich heiratete. 
Er hat einen Roman und zwei Dramen geschrieben. Jakob Löwen 
berg (aus Niederntudorf bei Paderborn, 1856 geb.), Hamburger Schul 
direktor, gab u. a. „Lieder eines Semiten" und die weiteren Gedichte 
„Aus jüdischer Seele", schrieb auch über Liliencron und Gustav Frenssen 
und gehört jedenfalls zu dem neueren Hamburger Dichterkreise, der sich 
um Liliencron und Falke sammelte. Der ungarische Jude Gustav Da 
vid (aus Preßburg, 1856 geb.), ps. Gustav Davis, wurde durch 
Soldatengeschichten und sein Lustspiel „Das Heiratsnest" bekannt, 
Heinrich Kornfeld (aus Berlin, 1856 geb.), Besitzer einer Buch 
handlung, durch Kriminalromane. Im Semikürschner steht Georg 
Stolzenberg (aus Berlin, 1857 geb.), Lyriker im Gefolge von 
Arno Holz. Friedrich Adler (aus Amschelberg in Böhmen, 1857
	        
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