Volltext: Jüdische Herkunft und Literaturwissenschaft

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1913), eine feste Stellung in unserer Literatur hat er aber bisher nicht 
erlangt. Direktor des deutschen Landestheaters in Prag wurde Hein 
rich Teweles (aus Prag, 1856 geb.) und schrieb Dramen und Skizzen, 
neuerdings auch das Buch „Goethe und die Juden", das man nicht als 
zuverlässig bezeichnen kann. Etwas ausstößt einem Max Viola (aus Stein 
amanger in Ungarn, 1856 geb.) — der Name ist so schön (Veilchen 
feld?), und dann hat er die beiden Romane „Dr. Gutmann" und „Sa- 
lomon Tulpenthal" geschrieben, freilich auch „Furor teutonicus oder 
acht Tage in Berlin". Maximilian Singer (aus Lipnik in Galizien, 
1857 geb.) ist Gymnasiallehrer in Prag-Weinberge und Verfasser von 
ernsten Dramen und Operntexten. Lustspiele und Volksstücke, die sogar 
verboten wurden, gab Julius Gans von Ludassy, der Sohn des schon 
angeführten Moritz (aus Wien, 1858—1922). Alfred Stössel, ps. 
Lothar Bitter (aus Brünn, 1858 geb.), Erzähler, findet sich bei Kohut. 
Den Zionisten Theodor Herzl (aus Budapest, 1860—1904) stellt 
Otto Hauser als den größten Juden nach Spinoza hin (ich kann die betr. 
Stelle, die ich gern zitieren möchte, aber augenblicklich nicht finden), doch 
scheinen mir seine Plaudereien wie „Neues von der Venus" und Lust 
spiele wie „Seine Hoheit" dem entgegenzustehen. Das Schauspiel „Das 
neue Ghetto" kenne ich leider nicht. 
5. 
Die literarische Bewegung Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahr 
hunderts, die man als die Moderne oder das Jüngste Deutschland be 
zeichnet, war deutschen Ursprungs, ging aus der Abwendung der deut 
schen Jugend von dem Eklektizismus etwa Paul Heyses und dem Feuil 
letonismus der Lindau und Konsorten hervor. Der Sturm und Drang, 
der sie einleitete, hatte, da er ja aus Wut über die Lindau und Blumen 
thal mit entstand, zum Teil auch eine antisemitische Tendenz; beispiels 
weise war Hermann Conradi in seiner Münchner Periode ein scharfer 
Antisemit, und M. G. Conrad ließ damals in seiner „Gesellschaft" die 
Judenfrage debattieren, wobei zu unserem großen Ergötzen Franz Held 
(Herzfelder) die Behauptung aufstellte, die Kultur sei nach Deutschland 
durch die jüdischen Händler gekommen, wie er natürlich auch die Er 
ringung der modernen Volksfreiheiten als jüdisches Verdienst in An
	        
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