Volltext: Volk ohne Führung

10. Oer letzte Reichskanzler - 
Prinz Ma-e von Baden 
Diese Wahl sah auf den ersten Blick nicht übel aus. Oer Prinz war ein naher 
Verwandter des Kaisers, also aller vorausficht nach eine wertvolle Stütze der 
Hohenzollerndgnastie in den Stürmen, die ihr zweifellos bevorstanden. Er 
stand weiterhin in engen verwandtschaftlichen Beziehungen Zum Welfenhaus 
und Zum regierenden König von Schweden. Er war schließlich der erste An 
wärter auf die Nachfolge des regierenden Großherzogs von Baden. Auch in der 
Politik war er kein unbeschriebenes Blatt. Denn er war seit 1907 Präsident der 
ersten badischen Kammer und durch einige Beden in der Kammer auch politisch 
hervorgetreten. Ihm ging von Baden aus auch der Ruf eines „demokratischen" 
Fürsten voraus. Ebenso hatte er in der Außenpolitik sich schon die Sporen ver 
dient. Im Gefangenenaustausch hatte er während des Krieges wertvolle inter 
nationale Beziehungen angeknüpft und stch einen gewissen Kredit erworben, 
vor allem ging ihm der Ruf eines überzeugten „verständigungspolitikers" 
voraus. Oenn der „ethische Imperialismus", den er Ln einzelnen Veröffent 
lichungen vertreten hatte, legte den Akzent auf die stttlichen Ideen als Mittel 
und Ziel der deutschen Politik. Sein außenpolitisches Programm war eine Art 
Sgnthese zwischen Pazifismus und Nationalismus. Auf dem Papier lag also 
eine selten glückliche Vereinigung pofitiver Eigenschaften vor, die ihn geradezu 
zum Reichskanzler in dieser Schicksalsstunde stempelten. 
Erst die Praxis konnte erweisen, ob hinter all diesem glänzenden Schimmer 
die aufrechte Persönlichkeit stand, die jetzt mit der nötigen Sicherheit und Härte 
die Lage Zu meistern verstand. Es war die Krage, ob Prinz Ma)c aus dem 
Eichenholz geschnitzt war, das die Stunde der Gefahr verlangte. 
Oer Ruf des Kaisers hatte den Prinzen nicht unvorbereitet getroffen. In 
Oeffau, wo er bei seiner Schwester zu Besuch weilte, hatte er auf diesen Ruf 
schon „gewartet". Bereits am 7. September hatte er fich dem Kaiser zur Ver 
fügung gestellt, wenn man nicht den abfälligen Ausdruck „angeboten" gebrau 
chen will. Er erklärte selbstbewußt: „Mein Name und mein Programm würden 
in Feindesland sprengen und in der Heimat sammeln." Oarum hatte er dem 
Kaiser brieflich sein Programm auseinandergesetzt, nach dem eine neue breite
	        
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