Volltext: Schwanenstadt - einst und jetzt

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Als dort der Fund zu Weihnachten 1907 in einer systematisch 
geordneten Aufstellung dem Publikum vorgeführt wurde, hatte mancher 
Beschauer den Eindruck, wie durch ein plötzlich aufgestoßenes kleines 
Fenster in die bürgerliche Wohnstube eines deutschen Kleinstädters 
aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges Hereinblicken zu können. 
Wir sehen, wie das Zinn in diesem Hausrat unbedingt vorherrscht, 
indem es nicht nur für die flachen Fleisch- und tiefen Suppenteller, 
für die kleineren Deckelkrüge und die großen Humpen, sondern auch 
für Flaschen (die sogenannten „Jausenpietschen") und für Nutzgegen- 
stünde anderer Art, wie z. B. für ein Nachtgeschirr und ein Kinder¬ 
saugfläschchen verwendet wurde. Wir sehen ferner zu unserem höchsten 
Erstaunen, daß in dieser kleinstädtischen Familie ein ganzer Satz von 
prächtigen Goldschmiedearbeiten (zumeist Augsburger Herkunft) aufbe¬ 
wahrt wurde. Eine ganze Serie von Silberlöffeln und Hornlöffeln 
mit schön gebildeten Stielen darunter (auch Augsburger Arbeiten) war 
wohl nach und nach als Geschenke von Taufpaten zusammengekommen. 
Ein paar dünnwandige, farbige venezianische Gläser, wie durch ein 
Wunder erhalten, machen den Eindruck einer mit besonderer Sorgfalt 
behüteten, seltenen Kostbarkeit. Neben den Zinnkrügen tauchen ein 
paar derbe Steinzeugkrüge, blaugraues Nassauer Fabrikat, eine ganz 
frühe, grün geflammte Gmundener Godenschale und ein flüchtig und 
bunt bemaltes spätitalienisches Majolikaschälchen auf. Ein Hauptzeuge 
des bürgerlichen Wohlstandes besteht — neben dem Reichtum an Gold- 
und Silbermünzen — in der wunderbar erhaltenen Wäsche aus bestem 
Hausleinen, die durch Spitzen und Stickereien zum Teil in reichster 
Weise geziert ist. Über die Besitzer des Fundes aber gaben andere, an 
und für sich weniger wertvolle Beigaben von mehr kulturgeschichtlichem 
Werte Aufschluß, die manches Rätsel glatt lösen. 
Unter den 1195 Münzen, die der Fund enthielt (darunter 
33 Goldmünzen) befand sich nämlich ein in einen kleinen beschriebenen 
Zettel gewickelter fünffacher Dukaten Ferdinands III. (1644); die In¬ 
schrift dieses Zettels lautet: Anno 1668 den 2. Oktobris bindt mich 
mein herzallerliebste hauswirthin Sophia Prandtner mit bifen von ihren 
ersten hauswirth seeligen bundt. Gott der almechtige verleih ihnte die 
ebige Ruee und meiner Liebsten langes Leben und guette Gesundheit. 
Amen". Wir kennen auch den Namen des in diesen Zeiten erwähnten 
ersten Mannes der Frau Sophie Prandtner, er hieß Paul Pierstl und
	        
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