Volltext: Georg Loesche als Geschichtsforscher

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Quelle den Erzherzog selbst bezeichnete. Der vorgebliche Ausspruch 
Rainers ist demnach in keiner von der Wissenschaft anerkannten Form 
verbürgt, auch ganz unwahrscheinlich angesichts des zwischen Kaiser und 
Erzherzog bestehenden Verhältnisses der Unterordnung und im Hin 
blick auf die mehr zurückhaltende als entschiedene Natur des Erzherzogs. 
Erzherzog Rainer stand der Herausgabe des Patentes gänzlich ferne. 
Weil der von Loesche benützte Text des Patentes (Reichsgesetz 
blatt 1861, Nr. 41) bloß drei ministerielle Unterschriften aufweist, 
kommt Loesche zu einem sonderbaren Schlüsse, indem er den außer 
Rainer und Schmerling mitunterschriebenen Kriegsminister Graf 
Degenfeld als Mitunterzeichner und Evangelischen ausdrücklich 
hervorhebt, als ob seine Unterschrift infolge dieser letzteren Eigenschaft 
unter das Patent geraten sei. Diese Annahme ist, abgesehen von 
Anderem, schon aus dem Grunde hinfällig, weil die Urschrift des 
Patentes fünf weitere ministerielle Unterschriften enthält. 
Nach Loesches Meinung „grenzt es ans Wunderbare", daß die 
von ihm als unbedeutend geschilderte Gemeinschaft der Evangelischen 
auch nur dieses Patent erreicht habe, was in sorgfältigster Weise zer 
gliedert wird. Diese mit den tatsächlichen Verhältnissen in offenkundigem 
Widersprüche stehende entwürdigende Herabsetzung der Evan 
gelischen ist — und das mag als wunderbar erscheinen — un 
widersprochen geblieben. 
Aber auch Staatsregierungen sind vor Verleumdung nicht sicher. 
In Verbindung mit dem Hinweise auf die vermeintlichen Vorzüge des 
Patentes wird über schlechte Behandlung der Katholiken geklagt. Her 
vorragende Teilnehmer an den deutschen Katholikentagen von 1871, 
1897 und 1906, wie Hofprediger Potthoff, Landgerichtsrat Adolf 
Gröber und Rechtsanwalt Dr. Karl Josef Bachem, haben unter dem 
Beifalle ihrer Zuhörer deutsche Landesregierungen der Unduldsamkeit 
gegenüber der katholischen Kirche beschuldigt und schwere Anklagen 
gegen Sachsen, Mecklenburg und Braunschweig erhoben. Den Beweis 
hiefür sind sie jedoch schuldig geblieben. (Paul Bräunlich, Die deutschen 
Katholikentage. 2 Bände. Halle 1910. — Das Werk beruht auf den 
amtlichen Berichten über die Generalversammlungen der Katholiken 
Deutschlands.) Das hindert aber Loesche, den Professor der evangelischen 
Theologie, nicht, in völliger Übereinstimmung mit diesen ausgesprochen 
ultramontanen Quellen und am Gängelbande des bekannten Führers 
der österreichischen Klerikalen, Pater Josef Greuter (f 1888), und des 
Fürstbischofs Gasser von Brixen, die Regierungen mehrerer deutscher 
Bundesstaaten zu beschuldigen, daß sie ihre Katholiken nicht besser, 
vielleicht noch schlechter behandelt hätten, als das Los der Evange 
lischen in Österreich zu derselben Zeit (1781 bis 1861) beschaffen war. 
Den Nachweis für diese schwere Anklage hat Loesche allerdings nicht 
erbracht. Gewissenhaste archivalische Prüfung seiner Behauptungen bei 
den in Frage kommenden amtlichen Stellen hat zu dem unanfechtbaren 
Ergebnis geführt, daß die deutschen Katholiken überall bei weitem 
besser gebettet waren als die Evangelischen in Österreich, womit Loesche 
auch in dieser Richtung außer Kurs gesetzt erscheint.
	        
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