Volltext: Georg Loesche als Geschichtsforscher

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Glaubenseinheit. — Außerdem hat sich in gleichzeitigen evangelischen 
Kreisen keine Andeutung erhalten, die zur Annahme eines Sinnes 
wechsels bei Thun in der evangelischen Frage berechtigen würde. 
Noch im selben Jahre urteilt er sehr günstig. Als er unter die 
sür die ungarländischen Evangelischen bestimmten Akte den Schlußpunkt 
setzte, faßte er seine Meinung in den Worten zusammen: „Gewissens 
pflicht ist es, alles sorgfältig zu vermeiden, was den protestantischen 
Religionssätzen Eintrag täte, was als ein Eingriff in ihre Religions 
freiheit mit Recht bezeichnet werden könnte" (Vortrag an Kaiser 
Franz Joseph vom 4. September 1858). 
Die angeführten Worte sind als für die Evangelischen im Ge 
samtstaate zu werten, da Thun Unterschiede in der Rechtsstellung der 
Evangelischen je nach ihrer Landeszugehörigkeit aufgehoben wissen 
wollte. Bei dem Minister eines Einheitsstaates nur selbstverständlich, 
aber auf einen so ins Gewicht fallenden Umstand achtet Völker nicht, 
da er auf dem Gebiete des Staatsrechtes wie der Staatspolitik völlig 
fremd ist. 
Im nächsten Jahre ging Thun in der den Evangelischen freund 
lichen Richtung soweit, als ein Minister in solchen Fällen überhaupt 
gehen kann. Er stellte sich auf den Boden der Beschlüsse der Super 
intendenten und Vertrauensmänner vom 18. August 1849 und be 
stimmte überdies den Kaiser, für diese Beschlüsse sein Wort einzulegen. 
(Kaiserliche Entschließung vom 1. September 1859.) Ferner wurde die 
Bearbeitung der erforderlichen Vorlagen ausschließlich in die Hände 
der K. k. evangelischen Konsistorien gelegt mit dem Aufträge, im Sinne 
der erwähnten Entschließung, die Beschlüsse aus 1849 dabei zu be 
rücksichtigen. Hiermit war die Neuordnung der Kirche vor dem Minister 
zunächst abgeschlossen. 
Kann ein Minister für eine ihr Recht suchende 
Partei mehr tun, als daß er ihre Wünsche zu den 
steinigen macht, seinem höchsten irdischen Herrn warm 
empfiehlt und die ihm unterstellte Behörde anweist, 
diese Wünsche zu berücksichtigen? Heraus mit der Sprache! 
Die Konsistorien erfüllten die ministerielle Anordnung durch Aus 
arbeitung zweier Gesetzentwürfe, über die staatsrechtliche Stellung, die 
innere Verfassung und die Schul- und Unterrichtsangelegenheiten der 
evangelischen Kirche vom 6. Juni 1860 und über das Verhältnis der 
evangelischen zur römisch-katholischen Kirche vom 19. September 1860. 
In diesen unter Mitwirkung aller berufenen kirchlichen Vertreter ver 
faßten Gesetzentwürfen gelangt jenes Maß von Rechten zum Aus 
druck, welches damals hat erreichbar erscheinen müssen. 
Graf Thun hat das möglichste getan, um die Rechtsstellung der 
Evangelischen zu verbessern, aber er mußte aus dem Amte treten 
vor Krönung seines Werkes (20. Oktober 1860). 
In Uebereinstimmung mit Loesche bemängelt Völker „das lang 
same Tempo" bei den Vorarbeiten für die Neuordnung. Er weiß eben den 
Umfang dieser Vorarbeiten nicht abzuschätzen und tappt einfach Loesche 
nach, welcher Thun beweislos zehnjähriger Verschleppung beschuldigt.
	        
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