Volltext: Georg Loesche als Geschichtsforscher

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urkunden" wird aber Loesches wissenschaftliche Schuld weder verringert, 
noch getilgt; sie bleibt unangetastet. 
Als ein weiteres Mittel, sich reinzuwaschen, erschien es ihm zweck 
mäßig und statthaft, den Versuch zu machen, die Höhe der Auflage 
der „Rechtsurkunden" zu erfahren und auszukundschaften, an welche 
Anschriften das Buch versendet wurde. 
Ferner verriet Loesche dem Verleger als seinen Herzenswunsch, 
daß die ganze auf Seite 40 stehende Anmerkung geschwärzt werden 
möge. 
In richtiger Erkenntnis seiner Unfähigkeit, sich selbst aus der 
Tinte herausarbeiten zu können, befriedigte ihn die Erwartung, daß 
von einem andern „Gelehrten", eine „Antikritik" erscheinen werde. 
Professor Dr. Karl Völker von der Evangelisch-theologischen 
Fakultät der Universität Wien ist in dem Aufsatz: „Thun und Schmer 
ling. Protestantenpatent oder Friedensvertrag von St. Germain", Säe 
mann (Graz), Folge 3 vom 15. März 1929, als Anwalt der von 
Professor Georg Loesche beliebten Art der Geschichtsschreibung aufge 
treten. Anschließend an eine Inhaltsangabe über die „Rechtsurkunden 
der Evangelischen in Oesterreich" (Steyr, 1929) werde ich beschuldigt, 
„in leidenschaftlicher Weise" gegen Loesche geschrieben zu haben. Etwas 
spät, denn schon seit dem Jahre 1926 (Das Ministerium Thun für die 
Evangelischen im Gesamtstaate Oesterreich 1849 bis 1860. Wien, 1926), 
beziehungsweise 1927 (Georg Loesche über das Ministerium Thun. 
Steyr, 1927) ist die Oeffentlichkeit unmittelbar aus den archivalischen 
Quellen heraus zuverlässig darüber unterrichtet, wie es der „verdienst 
volle Historiker des österreichischen Protestantismus" (als welcher Loesche 
von Völker angesprochen wird) mit den Grundsätzen der Geschichts 
forschung hält. 
Völker führt die Verspätung darauf zurück, daß er vorerst 
Archivalien habe nachprüfen wollen, und er habe in wesentlichen Stücken 
ein anderes Geschichtsbild gefunden als ich, der ich Thun lobe, 
Schmerling tadle. Völker ruft zwei von Thun dem Ministerrat im 
Jahre 1868 vorgelegte Gesetzentwürfe über Ehe, religiöse Kinder 
erziehung, Uebertritt und Abfall katholischer Priester als Zeugnisse 
auf für Sinnesänderung des Ministers gegenüber den Evangelischen. 
In dreijährigen archivalischen Studien (1926 bis 1929, vom Erscheinen 
des „Ministerium Thun" bis zu dem der „Rechtsurkunden"), hat er, 
obgleich in Wien wohnhaft, zwei ganze Aktenstücke aufgefunden, welche 
angeblich gegen Thun sprechen. Diese Annahme erscheint nicht gerecht 
fertigt, weil es sich um Entwürfe handelt, deren Entstehen auf Rech 
nung ultramontaner Einflüsse zu setzen sein wird, welche in des 
Ministers Tätigkeit störend eingriffen. Man denke an des Kaisers 
Mutter Erzherzogin Sophie, an seine Brüder Maximilian und Karl 
Ludwig sowie Kardinal Othmar Rauscher. Gegen Maximilian sah sich 
Thun genötigt, beim Kaiser vorzusprechen, weil der Erzherzog die gegen 
Schulvorschriften sich auflehnenden italienischen Bischöfe unterstützte. 
Karl Ludwig war bekanntlich als Statthalter von Tirol eine kräftige 
Stütze der von der Mehrheit der Tiroler damals beanspruchten
	        
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