Volltext: Serbien und der Weltkrieg (Band III 1931)

III. KAPITEL. 
Serbien und die Annexion Bosniens 
und der Herzegowina. 
Die auf die Annexion Bosniens und der Herzegowina bezugnehmen¬ 
den Akten sind namentlich infolge der neuesten englischen und öster¬ 
reichischen Aktenpublikationen sehr zahlreich und aufschlußreich. 
Auch die von mir herausgegebene serbische Aktensammlung, die im 
Verhältnis zu den übrigen großen Publikationen dieser Art eine viel 
geringere Anzahl von Aktenstücken aufweist, enthält gerade über die 
bosnische Annexionskrise die zahlreichsten Dokumente der ganzen 
Sammlung, und zwar Dokumente, die auch ihrem Inhalte nach von 
besonderer Wichtigkeit sind. Es ist dadurch die Möglichkeit gegeben, 
sich ein klares Bild über diesen Geschichtsabschnitt und über die 
Folgen gerade dieses mit unabwendbarer Notwendigkeit zum Welt¬ 
kriege führenden Ereignisses zu machen. 
Der geographische Begriff Bosnien war im Laufe der Jahrhunderte 
ein sehr schwankender. Eine eigene bosnische Nationalität hat es 
trotz aller Versuche, eine solche künstlich zu konstruieren, nie ge¬ 
geben1), wohl aber einen bosnischen Staat, dessen Grenzen jedoch 
nicht immer mit dem geographischen Begriffe von Bosnien überein¬ 
stimmten, denn es gehörten im Laufe der Jahrhunderte und vor der 
Eroberung Bosniens durch die Türken Teile desjenigen Gebietes, das 
geographisch als Bosnien bezeichnet wurde, zu Kroatien, zu Ungarn 
und teilweise auch zu Raszien* 2). 
Die Herzegowina bildete dagegen stets ein politisch und geogra¬ 
phisch selbständiges Ganzes. 
*) Erwähnt seien hier in dieser Beziehung die Bemühungen der österreichischen 
Verwaltungsbehörden, den bosnischen Dialekt der serbischen Sprache zu einer 
bosnischen Sprache zu erheben. 
2) Dies hat Herr Paschitsch während der Annexionskrise in Petersburg zwecks 
Rechtfertigung der serbischen Ansprüche auf Bosnien des öfteren betont. Vgl. 
öst. Dok., Bd. I, Nr. 560, S. 430. Äußerung Paschitschs: „Es gibt einen Weg zum 
Ausgleiche, wenn er mit gutem Willen von beiden Seiten gesucht wird. Die von 
Österreich-Ungarn gewaltsam fortgenommenen Provinzen waren — wie alte Doku¬ 
mente und Bücher beweisen — ursprünglich als türkischer Besitz wesentlich 
kleiner wie bei späterem Übergang der Verwaltung an Österreich-Ungarn. Das 
übrige gehörte uns. Bei Wiederherstellung des historischen Serbiens in seiner vor¬ 
maligen Gestaltung könnte der Schlüssel zur Verständigung gefunden werden.“ 
3 Boghitschewitsch. 
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