Volltext: Serbien und der Weltkrieg (Band III 1931)

Grund der bisherigen Erfahrungen und der bestehenden Gegensätze 
bezüglich Mazedoniens eine solche Verständigung unmöglich er¬ 
scheine1). 
Während Österreich-Ungarn mit der Durchführung der Annexion 
vollauf beschäftigt war und überdies keine besondere Eile und guten 
Willen zeigte, zu einer Verständigung mit Bulgarien zu gelangen* 2), 
glückte es Iswolski, durch den Verzicht Rußlands auf einen Teil der 
türkischen Kriegsschuld das Zustandekommen einer Verständigung 
zwischen der Türkei und Bulgarien zu ermöglichen3) und vom Fürsten 
Ferdinand von Bulgarien schon anläßlich seines Besuches in Peters¬ 
burg — Februar 1909 — die Zusicherung zu erhalten, daß Bulgarien 
vertraglich in keiner Weise an Österreich-Ungarn gebunden sei4), 
so daß er Grund hatte, anzunehmen, der Fürst werde nunmehr die 
Politik seines Landes nach der russischen Seite hin orientieren5). 
Beides, sowohl die bulgarisch-türkische Verständigung als auch die 
Zusicherungen des Fürsten Ferdinand, waren nach russischer Ansicht 
bedeutsame vorbereitende Schritte für die Anbahnung einer Annähe¬ 
rung der Balkanstaaten6). In diesem Zusammenhänge gewinnt auch die 
als Vertragsentwurf bezeichnete spätere geheime russisch-bulgarische 
Militärkonvention vom Dezember 1909, insbesondere ihr Artikel V, 
besondere Bedeutung7) und ist als Ergänzung zur russisch-bulgarischen 
Geheimkonvention von 19028), die nach den Aktenveröffentlichungen von 
Siebert9) nicht ein bloßer Entwurf, sondern ein abgeschlossener Ver¬ 
trag gewesen ist, anzusehen. 
*) österreichische Dokumente an verschiedenen Stellen. Das k. u. k. Ministerium 
des Äußeren hat an die Gesandtschaften in Sofia und Belgrad zwar schon zu jener Zeit 
Weisungen erlassen, auf die weiteren Beziehungen zwischen Bulgarien und Serbien 
besonders zu achten, aber die Gesandtschaften waren außer allgemein gehaltenen 
Betrachtungen über diese Frage nicht in der Lage, etwas Näheres und Bestimmteres 
mitzuteilen. Auch bezüglich der russisch-bulgarischen Vereinbarungen erhielt zwar 
das Ministerium von verschiedenen Konfidentenseiten nähere Angaben über den 
Inhalt dieser Verständigung, es konnte aber die Richtigkeit derselben nicht nach¬ 
prüfen. 
2) öst. Dok., Bd. I, Nr. 923, Weisung Baron Aehrenthals an den Gesandten in 
Sofia vom 25. Januar 1909. Schon dieses Dokument zeigt den Mangel an Geschick¬ 
lichkeit in der Führung dieser Verhandlungen, denn fast jedes Angebot Baron 
Aehrenthals in dieser Weisung ist an einschränkende Bedingungen geknüpft, von 
denen namentlich das Verlangen schon zu jener Zeit nach territorialen Kompen¬ 
sationen für Rumänien im Falle einer Vergrößerung Bulgariens in Sofia den 
schlechtesten Eindruck machen mußte. Siehe auch öst. Dok., Bd. II, Nr. 1103, und 
Serb. Akt., Bd. I, Nr. 124. 
3) Brit. Dok., Bd. V, Nr. 696 und Nr. 853. 
4) Brit. Dok., Bd. V, Nr. 620 und Nr. 625; Serb. Akt., Bd. I, Nr. 122, 
5) Brit. Dok., Bd. V, Nr. 625, 701, 814. 
e) Brit. Dok., Bd. V, Nr. 752. 
7) Serb. Akt., Bd. II, Nr. 511, S. 120 oben. 
8) Serb. Akt., Bd. II, Nr. 419. 
ü) Benckendorff, Bd. II, Nr. 419, S. 121, Anm. Der Wahrheit zum Trotze hat 
die russische Regierung dies zwar abgeleugnet. Vgl. Serb. Akt., Bd. II, Nr. 520. 
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