Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Infanterie von Conrad das Nötige besprechen, damit er sich mit seinem 
Kollegen in Berlin in Verbindung setze. Um meinen Gedanken heute 
präzis auszudrücken, möchte ich noch hinzufügen, daß ich nicht glaube, 
daß im Falle eines russischen Angriffes auf Österreich-Ungarn Italien 
sein Wort brechen und sich an die Seite unserer Gegner stellen würde1). 
Aehrenthal. 
Nr, 448. 
Zar Nicolai II. an Kaiser Franz Joseph.1 2) 
Zarskoje Selo, den 4*/I7* Dezember 1908. 
„Mein teurer Freund! 
Ich war tief gerührt von den herzlichen Ausdrücken Deines Briefes 
und fühle meinerseits das Bedürfnis, offen mit Dir über die Beziehungen 
zu sprechen, die gegenwärtig zwischen unseren Reichen bestehen; leider 
ist in diesen Beziehungen in der letzten Zeit eine Änderung eingetreten, 
die mich tief betrübt. Du weißt, wie ich stets dem Abkommen3 *), 
unserem gemeinsamen und persönlichen Werk, ergeben war; hat es 
doch im Laufe von 10 Jahren den friedlichen Gang der Ereignisse auf 
dem Balkan sichergestellt. 
Und wenn gegenwärtig dieser Zustand dem Gefühl allgemeiner Auf¬ 
regung gewichen ist, so ist Rußland selbstverständlich hierfür nicht 
die Ursache. 
In vollständiger Übereinstimmung mit meinem Willen ist meine Re¬ 
gierung pedantisch den Handlungen treu geblieben, die wir gemeinsam 
in Mazedonien unternommen haben; es ist Deinem Außenminister Vor¬ 
behalten geblieben, unserem Abkommen den ersten Schlag zu versetzen. 
Muß1 ich Dir die betrüblichen Ereignisse des letzten Winters ins Gedächt¬ 
nis rufen? 
Während ich vollkommen überzeugt war, daß wir in Anbetracht der 
freundschaftlichen Verhandlungen unserer Minister in Wien in vollstän¬ 
digem Einvernehmen handeln werden, ist Baron Aehrenthal unvermutet 
von unserer Linie abgewichen; ohne uns zu verständigen, präsentierte 
er sein Projekt der Sandschakbahn und ließ den von unseren Kabinetten 
gemeinsam ausgearbeiteten Plan der juristischen Reformen in Maze¬ 
donien fallen. 
Du weißt, wie sehr ich bemüht war, einen Bruch unseres Einver¬ 
nehmens zu vermeiden. Um es wiederherzustellen, befahl ich Iswolski 
in diesem Herbst mit Baron Aehrenthal zu verhandeln. Dieser entwickelte 
1) Zu den letzteren Ausführungen Aehrenthals vgl. Fürst Bülows Mitteilung an Bot¬ 
schafter Tschirschky vom i5. Dezember in Nr. 9156. 
2) „Kriegsschuldfrage“ April 1926. 
3) Das Abkommen von 1908. (Soll wohl 1897 heißen! Vgl. Pribram: „Die 
politischen Geheimverträge Österreich-Ungarns 1879—1914“. Seite 78 ff. Die 
Schriftleitung der „Kriegsschuldfrage11.) 
53
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.