Nr. 962.
Graf Szapary an Graf Berchtold. *)
Telegramm. St. Petersburg, den 24. Juli 1914*
Der Herr Minister des Äußern empfing mich, indem er mir sagte, er
wisse, was mich zu ihm führe und erkläre mir gleich, daß er zu meiner
Demarche keine Stellung nehmen würde. Ich begann mit der Verlesung
meines Auftrages. Der Minister unterbrach mich das erstemal bei der
Erwähnung der Serie von Attentaten und fragte auf meine Aufklärun¬
gen, ob denn erwiesen sei, daß diese alle in Belgrad ihren Ursprung hät¬
ten? Ich betonte, daß sie Ausfluß der serbischen Aufwiegelung seien.
Im weiteren Verlauf der Verlesung äußerte er, er wisse, worum es sich
handle: Wir wollten Serbien den Krieg machen und dies! solle der Vor¬
wand sein. Ich replizierte, daß unsere Haltung in den letzten Jahren ein
hinreichender Beweis sei, daß wir Serbien gegenüber Vorwände weder
suchen noch brauchen. Die geforderten solennen Enunziationen riefen
nicht den Widerspruch des Herrn Ministers hervor; er versuchte nur
immer wieder zu behaupten, daß Paschitsch sich bereits in dem Sinne
ausgesprochen habe, was ich richtig stellte. „II dira cela 25 fois si vous
voulez“, sagte er. Ich sagte ihm, niemand wende sich bei uns gegen
Serbiens Integrität oder Dynastie. Am lebhaftesten erklärte sich Herr
Sasonow gegen die Auflösung der „Narodna Odbrana“, die Serbien nie¬
mals vornehmen werde. Weiteren Widerspruch von Seite des Herrn
Ministers löste die Beteiligung von k. u. k. Funktionären an der Unter¬
drückung der subversiven Bewegung aus. Serbien werde also daheim
nicht mehr der Herr sein 1 „Sie werden dann immer wieder intervenieren
wollen und welches Leben werden Sie da Europa bereiten!“ Ich er¬
widerte, es werde, wenn Serbien guten Willen hat, ein ruhigeres sein,
als bisher.
Den an die Mitteilung der Note angefügten Kommentar hörte der
Herr Minister ziemlich ruhig an; bei dem Passus, daß wir uns in unseren
Gefühlen mit jenen aller zivilisierten Nationen eins wissen, meinte er,
dies sei ein Irrtum. Mit allem mir zu Gebote stehenden Nachdruck ver¬
wies ich darauf, wie traurig es wäre, wenn wir in dieser Frage, bei der
alles im Spiele sei, was wir Heiligstes hätten und, was immer der Herr
Minister sagen wolle, auch in Rußland heilig sei, kein Verständnis in
Rußland fänden. Der Herr Minister suchte die monarchische Seite der
Angelegenheit zu verkleinern.
Das zur Verfügung der Regierungen gehaltene Dossier betreffend,
meinte Herr Sasonow, wozu wir uns diese Mühe gegeben hätten, wo wir
*) Österreichisches Rotbuch igi4> Nr. i4, S. 17.
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