Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

in den jüngst verflossenen Tagen in nächster Nähe Einblicke in das 
Gefühlsleben der serbischen intelligenten Bevölkerung zu gewinnen« 
Der Gefertigte batte am Tage des Attentates gegen 9 Uhr abends ohne 
Ahnung noch vom Geschehenen ein hiesiges Gartenkaffee besucht und 
wurde hier zuerst von einem Bekannten über das ganz bestimmt aufge¬ 
tretene Gerücht in Kenntnis gesetzt. Es war eine Pein sondergleichen 
zu beobachten und zu hören, wie eine förmlich fröhliche Stimmung die 
zahlreichen Gäste des Lokals erfaßt hatte, mit welcher ersichtlichen 
Genugtuung man über die Tat debattierte und wie Ausrufe der Freude, 
des Hohnes und Spottes aufflatterten — selbst den an Ausbrüche des 
hier herrschenden politischen Fanatismus seit langem Gewöhnten mu߬ 
ten diese Wahrnehmungen aufs äußerste deprimieren! 
Nr. 943. 
Telegramm des russischen Außenministers 
an den russischen Gesandten in Belgrad1) 
vom 24. Juni/7. Ju^ i9i4- 
Nr. i35i. 
Vertraulich. 
Die letzten Ereignisse in Österreich, die zu einer sehr großen Ver¬ 
schärfung der antiserbischen Stimmung in Wien geführt haben, ver¬ 
anlassen uns, der serbischen Regierung zu raten, alle Fragen, die diese 
Stimmung noch verschärfen und eine gefährliche Lage hervorrufen kön¬ 
nen mit der größten Vorsicht zu behandeln. Infolgedessen sind wir der 
Ansicht, daß es ratsam wäre, die Verhandlungen über die serbisch- 
montenegrinische Annäherung etwas hinauszuschieben, denn diese Ver¬ 
handlungen haben bereits die Aufmerksamkeit Österreich-Ungarns und 
selbst Deutschlands auf sich gezogen. Ich bitte Sie, diese Ansicht Pa- 
schitsch vertraulich mitzuteilen. 
Sasonow. 
i) Benckendorff Bd. III, Nr. 1067, S.296. 
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