Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

rührt. Die Eurer Exzellenz bekannte staatsmännische Erfahrung und 
Vorsicht Paschitschs sind eine Bürgschaft dafür, daß kein unvorsichtiger 
Schritt getan werden wird, und daß das beabsichtigte Übereinkommen, 
von dem wir rechtzeitig Nachricht erhalten haben, nicht die von unserem 
Geschäftsträger in Cetinje befürchteten Verwicklungen nach sich ziehen 
wird. Die in Aussicht genommene Antwort an König Nikolaus ist in 
friedlichem Sinne gehalten. Ich erwarte die Abreise unseres Kuriers, um 
Ihnen eine Abschrift dieser beiden Dokumente und einen ausführlichen 
Bericht zuzustellen. 
Hartwig. 
Nr. 914. 
Auszug aus einem Schreiben des russischen Botschaf¬ 
ters in Wien an den russischen Außenminister1) 
21. März 
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So beklagenswert und empörend der zweite Balkankrieg vom Stand¬ 
punkte des Slawentums auch gewesen sein mag, so kann man doch nicht 
leugnen, daß das Ergebnis dieses Krieges, soweit die speziellen russischen 
Interessen in Frage kommen, für uns vorteilhaft ist. 
In der Tat — was wäre geschehen, wenn in Sofia beim Abschlüsse des 
Waffenstillstandes mit der Türkei die Stimme der Vernunft gesiegt hätte 
und die bulgarische Regierung bereit gewesen wäre, die berechtigten For¬ 
derungen Serbiens hinsichtlich der Abänderung des zwischen ihnen be¬ 
stehenden Vertrages und die völlig unberechtigten, aber verhältnismäßig 
bescheidenen Forderungen Rumäniens anzunehmen? Bulgarien wäre, 
was Ausdehnung seines Territoriums und Stärke seiner Bevölkerung an¬ 
langt, der größte Balkanstaat geworden; Rumänien hätte sich beeilt, sich 
ihm zu nähern, wahrscheinlich auch die Türkei; und wenn schließlich 
auch noch eine Annäherung an Österreich stattgef unden hätte, was ich 
stets für möglich gehalten habe, sogar noch vor dem Kriege mit Serbien, 
so würde sich auf dem Balkan ein uns feindlicher Block gebildet haben, 
der aus Österreich, Bulgarien, Rumänien und der Türkei bestanden hätte. 
Jetzt aber ist unter den obwaltenden politischen Verhältnissen Öster¬ 
reich auf dem Balkan völlig isoliert, und jeder Versuch seinerseits, den 
Status quo zu ändern, würde einen entschiedenen Widerstand von seiten 
des Blockes Rumänien, Serbien und Griechenland auslösen. 
Aus diesem Anlasse muß man alles vermeiden, was Rumänien mit 
Serbien und Griechenland entzweien könnte, was zu erreichen die öster¬ 
reichische Diplomatie wahrscheinlich versuchen wird. In dieser Hinsicht 
*•) Benckendorff Bd.III, Nr. io52, S.272. 
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