Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Der Engländer Granet ist schon recht hinfällig, aber vornehm 
und liebenswürdig. Kann daher auch den Franzosen persönlich nicht 
leiden. 
Der Österreicher Mietzl ist kein glücklich gewählter Vertreter. 
Er entstammt einer einfachen Familie (der Vater war Unteroffizier), 
was ihm noch anhängt. Durch seine aufgeregte, nervöse Art, fordert er 
ähnlich wie der Franzose die Gegner direkt zum Widerspruch heraus. 
Er ist ungeschickt — offen in seiner Bevorzugung Albaniens. Mit den 
Offizieren seines Detachements steht er auf ständigem Kriegsfuß. Lei¬ 
der wird durch seine Ungeschicklichkeit die schmutzige Wäsche der 
Österreicher meist vor der ganzen Kommission gewaschen, so daß ich 
schon mehrfach abfällige Urteile über die Österreicher hörte, die an und 
für sich nicht berechtigt sind. Ich stehe mich persönlich vorzüglich mit 
Mietzl, er erweist mir jede mögliche Gefälligkeit und hat mir das Du 
angeboten. 
Der Italiener Marafini ist ein außergewöhnlich geschicktes diplo¬ 
matisches Talent, von dem man sicher noch eines Tages hören wird. Er 
war Generalstabschef bei General Galli und soll auf dessen Veranlassung 
zur Diplomatie übergehen wollen. Er ist bei weitem das bedeutendste 
Mitglied der Kommission. 
Äußerlich haben sich in der Kommission drei Gruppen gebildet. Der 
Russe und der Franzose sind absolut serbenfreundlich und von einem 
geradezu blinden Haß gegen die Albaner erfüllt. Im Gegensatz dazu 
stehen die Österreicher und der Italiener, die unter allen Umständen 
für Albanien sind. Der Engländer und ich vertreten die Unabhängigen, 
die nur nach ihrem Gewissen entscheiden. Das heißt, ich tue wenigstens 
so, um den Engländer nicht in die Hände der Serbenfreunde zu treiben, 
was der Franzose unter Berufung auf die Entente schon mehrfach ver¬ 
sucht hat. Der gute General hat es mir immer gleich wiedererzählt. Er 
ist immer leicht für Albanien zu gewinnen, wenn man ihn bei seinem 
Humanitätsgefühl faßt, worin ja die Engländer immer stark sind, so¬ 
lange es sich nicht um ihre eigenen Kolonien handelt. 
Serbische Verhältnisse. 
Die Serben haben hier an der albanischen Grenze noch die mobile 
Drinadivision stehen, die aber nicht der wirklichen Kriegsgliederung ent¬ 
spricht, sondern auch Teile der Schumadiadivision enthält. Ich sah die 
Regimenter 2 und 11, die im Grenzschutz von Lin über Struga viel¬ 
leicht bis Lukowo stehen. Die Serben halten die Grenze noch immer 
streng gesperrt, obgleich sie genau wissen, daß in ganz Albanien kein 
Mensch vorläufig mehr an Angriff denkt. Der Grund hierfür kann nur 
darin liegen, daß sie der geflohenen muselmännischen Bevölkerung die 
Rückkehr gewaltsam verhindern wollen.
	        
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