lieh er ist jedoch, daß die Türkei die Gelegenheit benützt, um auf ver¬
schiedene Arten den früheren Abschluß eines Übereinkommens zwischen
ihr und uns zu erwirken.
Nr. 888.
Der Delegierte zur nordalbanischen Grenzkommission
Major von Laffert, z. Z. in Gorni-Belica
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.*)
Ausfertigung.
Nr. 7. Gorni Belica, den 2.November igi3.
Tätigkeit der Kommission.
Die Kommission hat in zehntägiger Tätigkeit 25 Kilometer der Grenze
festgelegt. Wenn sie mit derselben Schnelligkeit weiterarbeitet, hat sie
noch annähernd i5o Arbeitstage vor sich. Ich glaube daher, daß die
Arbeiten nicht vor Ende nächsten Jahres vollendet sein werden.
Die Arbeit selbst verläuft folgendermaßen: Die Kommission reitet ein
Stück der Grenze ab, einigt sich über den Verlauf derselben und errichtet
provisorische Grenzhügel. Demnächst folgen die Topographen, vermessen
die Lage der Grenzhügel und stellen eine Karte des Grenzgebietes von
etwa einem Kilometer Breite her. Hierbei besteht die Aufgabe der Kom¬
mission zumeist darin, etwaige Rechte der Anlieger zu berücksichtigen.
Sehr schwierig aber wird die Sache, wenn das Londoner Protokoll sich
nicht genau ausspricht. Dann geht ein Kuhhandel in der Kommission
los um jedes verfallene Haus und jede jammervolle Ziegenweide. Bei dem
Beginne der Grenze am Ochridasee sagt das Londoner Protokoll nur,
daß die Grenze in der Umgebung von Lin anfangen solle. Der Streit
um dieses fast ganz von Serben bewohnte Dorf dauerte fünf Tage. Die
Bedeutung Lins für Albanien liegt nämlich darin, daß sich hier der
einzige brauchbare Hafen am albanischen Teile des Sees findet. Der
Engländer schlug sich auf die Seite der Allianz, so daß wir schließlich
den größten Teil von Lin für Albanien retteten. Das Dorf selbst aber
bleibt serbisch.
Bei der Aufstellung der Grenzsteine kam es zu sehr erregten Demon¬
strationen der Dorfbewohner, die offenbar der Meinung waren, daß
ihnen der Teil ihrer Felder, der an Albanien fällt, auch privatrechtlich
verloren gehen würde. Der russische Delegierte, der ausgezeichnet ser¬
bisch spricht, tat offenbar nicht das Nötige, um die Leute zu beruhigen.
Vielleicht war die Demonstration sogar von ihm und den Franzosen be-
x) Die Große Politik Bd. 36 (I. Hälfte), Nr. 18971, S. 197.
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