Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Frieden herzustellen, durch sein Verhalten aber die Lage verwickele und 
den Ausgang höchst schwierig mache. Die serbische Regierung bekämpfe 
mühsam die Stimmung des Heeres und der öffentlichen Meinung, und 
es liege daher im allgemeinen Interesse, ihr diese Aufgabe zu erleichtern. 
In Wien hätte man damit rechnen müssen und nicht unnötig eine Lage 
aufs äußerste zuspitzen sollen, die auch unsere gegenseitigen, eben erst 
wieder geregelten Beziehungen schädige. Graf Berchtold könne nicht im 
Zweifel darüber sein, welchen Eindruck sein Entschluß bei uns machen 
werde. Schließlich drückte ich mein Erstaunen darüber aus, daß der 
Schritt Österreichs in einem Zeitpunkte erfolge, in dem es den gemein¬ 
samen Bemühungen der Mächte gelungen sei, die Grenzfrage zu regeln, 
und die Kommission im Begriff sei, ihre Arbeiten am Ochridasee einige 
io Kilometer von den Punkten zu beginnen, die die Serben in Albanien 
besetzt hätten. Die Lage sei nicht so drohend gewesen, daß nicht noch 
einige Tage bis zur allmählichen Grenzziehung hätten abgewartet wer¬ 
den können, um danach der serbischen Regierung mitzuteilen, sie habe 
die Albanien zugefallenen Gebiete allmählich zu räumen. Ich sagte, ich 
sei überzeugt, daß dies die Antwort Serbiens sein werde, und daß 
Österreich sich damit zufrieden geben werde. 
Graf Czerny bezweifelte dies und sagte, die Serben könnten auch in 
diesem Falle ihre Versprechungen nicht einhalten. Dennoch notierte er 
sich meine Argumente, um sie nach Wien weiterzugeben. Nach dem 
österreichischen Geschäftsträger sah ich den italienischen, dem ich obiges 
mitteilte. Er hatte noch keine Weisungen, sprach sich aber dahin aus, 
daß seine Regierung wahrscheinlich alles daran setzen werde, 
um Österreich vor entscheidenden Schritten zurückzu¬ 
halten, weil sie sonst genötigt wäre, eine gleiche Haltung in der alba¬ 
nischen Frage einzunehmen. Teilen Sie mit, was nach Rücksprache mit 
Pichón entschieden wird, damit unsere Vertreter weitere Weisungen er¬ 
halten können. 
Neratow. 
Nr. 874. 
Der russische Gesandte in Belgrad 
an den russischen Geschäftsträger in London.*) 
Geheimtelegramm. Belgrad, den 5./18. Oktober 1913. 
Nr. 1277. 
Abschrift nach Paris. 
Ich telegraphiere an das Ministerium: Die serbische Regierung wendet 
sich an die kaiserliche Regierung mit der Bitte um wohlwollende Mitwir- 
*} Iswolski Bd. III, Nr. 1096, S. 3i5. 
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