Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Nr. 435. 
Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor 
an das Auswärtige Amt.1) 
Telegramm. Entzifferung. 
Nr. Belgrad, den i5. Oktober 1908. 
Die Vertreter Englands* 2), Italiens3), Rußlands4) und Frankreichs5) 
mahnen hier gleichmäßig zur Besonnenheit, die beiden ersteren von 
Anfang an unter Inaussichtstellung einer Belohnung für das serbische 
Wohlverhalten ohne zu präzisieren, was Serbien geboten werden würde6). 
Russischer Vertreter hat später ähnliche Sprache geführt. Italienischer 
Gesandter Marquis Guicioli, der einen Tag herkam, um vor Abreise auf 
japanischen Posten sein Abberufungsschreiben zu überreichen, hatte bei 
dem Abschiedsdiner in dem hier üblichen Toast von den Rechten Ser¬ 
biens gesprochen und verglich Serbien mit Piemont. 
Österreichischer Gesandter7), der bisher auf Befehl auf Urlaub ge¬ 
blieben, kehrt nächste Woche zurück. Österreichischer Geschäfts¬ 
träger8) ignoriert die bei Straßenumzügen immer wiederholten Belei¬ 
digungen Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph und Österreich- 
Ungarns und ist bestrebt, durch seine Berichterstattung möglichst zu 
kühler Auffassung der Situation in Wien beizutragen. 
Ratibor. 
*) Die Große Politik Bd. 26 (I. Hälfte), Nr. 9098, S. 257. 
2) J. R. Whitehead. 
3) Geschäftsträger Marchese Cambiaso. 
4) B. Sergejew. 
5) L. Descos. 
6) Näheres über die englische Stellungnahme zu dem Kompensationsgedanken erhellt 
aus einem Berichte des serbischen Geschäftsträgers in London Gruitsch vom 10. Ok¬ 
tober (Deutsches Weißbuch betreffend die Verantwortlichkeit der Urheber am Kriege, 
S.83ff.). Danach billigte Sir Ch. Hardinge nicht nur die serbischen Wünsche be¬ 
züglich der Adriabahn und der Einräumung besserer ökonomischer Bedingungen im 
künftigen Handelsverträge, sondern er setzte auch dem Vorschläge territorialer Kon¬ 
zessionen in Bosnien — Gruitsch sagte geradezu: da Österreich auf so leichte Art zu 
einer so großen territorialen Erweiterung komme, so könne es ihm nicht schaden, wenn 
ein Teil dieses so billig erworbenen Territoriums Serbien zufalle — keinerlei Wider¬ 
spruch entgegen. Auch öffentlich setzte sich die englische Regierung für die serbi¬ 
schen Wünsche ein, wenigstens hieß es in einer am i5. Oktober erlassenen amtlichen 
Kundgebung: „Es besteht Hoffnung, daß Mittel gefunden werden, um den Wünschen 
der kleineren Balkanstaaten entgegenzukommen, mit dem Vorbehalt, daß dies nicht auf 
Kosten der Türkei geschieht." Über Iswolskis Stellung zur Kompensationsfrage während 
seines Londoner Aufenthaltes erfährt man Näheres aus dem Berichte Gruitschs vom 
i3. Oktober. Boghitschewitsch, Kriegsursachen, S. 160. Vgl. auch Kap. CXCVI, 
Nr. 9040. 
7) Graf Forgach. 
8) Franz. 
So
	        
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