Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Nr. 757. 
Telegramm des russischen Botschafters in London 
an den russischen Außenminister1) 
vom 9-/22. Januar 1913. 
Nr. 221). 
Nr. Persönlich und streng vertraulich. Der König hat Gambon am 
Montag nach dem Diner den letzten Besuch des Prinzen Heinrich von 
Preußen geschildert. Cambon erzählte es mir. Gestern abend sagte mir 
der König in Gegenwart Gambons, er wolle mir das gleiche erzählen und 
fügte hinzu: „Vertraulich.“ 
Prinz Heinrich hat nur einige Stunden in Sandringham verbracht. 
Er hat den König um die Erlaubnis gebeten, ihm eine Frage stellen zu 
dürfen. „Welches wäre im Fall eines Krieges die Haltung Englands?“ 
fragte er. Der König hat ihm geantwortet: „Unter gewissen Umständen 
wird England ,bestimmt4 mit Rußland und Frankreich Zusammengehen.44 
Nachdem der Prinz sein lebhaftes Erstaunen ausgedrückt hatte, erwiderte 
er, die Sache wäre so wichtig, daß er seinen kaiserlichen Bruder sofort 
davon benachrichtigen müsse. Der König hatte nichts dagegen einzuwen¬ 
den. Nach seiner Rückkehr nach Berlin hat der Prinz dem König ge¬ 
schrieben, daß der Kaiser ebenso erstaunt gewesen sei; er hat hinzu¬ 
gefügt, daß am Tage seiner Unterhaltung mit dem König Lord Haldane 
genau dasselbe dem Fürsten Lichnowsky gesagt habe. Der König sagte 
mir, daß in Verfolg des oben geschilderten Gespräches der Prinz die 
Meinung geäußert hätte, daß ein fester Freundschaftsbund zwischen 
Deutschland und England unbesiegbar wäre und das politische Programm 
beider Länder bilden sollte. Der König gab zur Antwort, daß es sich für 
ihn und für England um eine Ehrensache handle, daß er in dieser Hin¬ 
sicht nur einen relativen Unterschied zwischen unterschriebenen Bündnis¬ 
verträgen und Freundschaften, welche nicht unterschriebene Bündnisver¬ 
träge seien, machen könne, daß sein Vater während einer neunjährigen 
Regierung die Ententen mit Frankreich und Rußland gegründet habe, 
daß er nach einer nur zweijährigen Regierung nicht daran denken könne, 
sie zu erschüttern, und daß er beabsichtige, sie uneingeschränkt aufrecht¬ 
zuerhalten. Der König hat hinzugesetzt, daß er seit diesem Tage von der 
mäßigenden Rolle des Berliner Kabinetts, die ihn sehr freue, ganz be¬ 
friedigt sei. 
Benckendorff. 
i) Benckendorff Bd. III, Nr. 833, S.52. 
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