Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

könne, da wohl seine Intentionen, nämlich auf fried¬ 
lichem Wege zu einer dauernden Verständigung mit dem 
Nachbar zu gelangen, festständen, daß er aber den an¬ 
deren Fiaktor — die Hialtqng Serbiens — nicht in der 
Hand habe. (!?) Auf Serbiens Stellungnahme gegenüber der Monar¬ 
chie komme es aber in erster Linie an. Jetzt sei davon die Rede, daß 
Herr Paschitsch selbst nach Wien kommen solle, um mit ihm direkt; 
zu verhandeln. Sollte dieser Plan wirklich zur Ausführung kommen, so 
würde er das freudig begrüßen, (!?) denn er glaube, daß auf diesem 
Wege am sichersten die Basis für ein dauernd gutes Verhältnis mit Ser¬ 
bien zu erreichen sein würde. (?) Er wiederhole, daß er von der Auf¬ 
stellung bestimmter Garantien, die Serbien gutwillig nicht würde geben 
können, abzusehen gedenke. Worauf er aber bestehen müsse, sei eine 
Klarstellung Serbien gegenüber in dem Punkte, daß einer serbi¬ 
schen Propaganda vom Königreiche aus in den serbi¬ 
schen Ländern der Monarchie für die Zukunft ein Riegel 
vorgeschoben würde. Man habe seinerzeit, sagt Graf Berchtold, 
als sich die rumänische Propaganda in Siebenbürgen stark fühlbar 
machte, die Absicht gehabt, eine Erklärung von Rumänien zu verlangen, 
daß es sich verpflichte, in Zukunft dieser Propaganda Einhalt zu tun. 
Die Ausführung dieser Absicht sei durch den Anschluß Rumäniens an 
die Zentralmächte damals unnötig geworden, denn seitdem hätten die 
Wühlereien von Bukarest aus in den rumänischen Gebieten Ungarns so 
gut wie ganz auf gehört. (?) Vielleicht könne man sich mit einer solchen 
Erklärung von Serbien begnügen. 
Der Minister klagte im Anschluß hieran lebhaft über die serbi¬ 
schen Umtriebe in den südslawischen Provinzen, die 
stellenweise geradezu terroristisch wirkten. So sei es er¬ 
wiesen, daß die serbische Partei im bosnisch-herzegowinischen Landtage 
sich von den Drohungen aus Belgrad so weit habe einschüchtern lassen, 
daß sie infolge derselben gegen das Eisenbahngesetz gestimmt habe. 
Auch sei ermittelt worden, daß die serbischen Hetzer aus dem König¬ 
reiche in Briefwechsel in Chifferschrift mit ihren Hel¬ 
fershelfern diesseits der Grenzen ständen. Der Landes¬ 
kommandierende General Potiorek habe, um der wachsenden Agitation 
entgegenzutreten, zu dem Mittel gegriffen, die jungen Leute und älteren 
Reservisten unter die Fahnen zu rufen, damit sie den revolutionären Ein¬ 
flüssen entzogen würden. Dieses „ganz verzweifelte Mittel“, 
wie sich Graf Berchtold ausdrückte, könne aber doch auf die Dauer 
nicht angewandt werden. Dann wäre es noch besser, den Ausnahme¬ 
zustand zu proklamieren, was auch tatsächlich erwogen werde. 
von Tschirschky. 
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