wünscht haben, daß Eure Exzellenz Vorhaltungen Ministers mit sol¬
chen auf der Hand liegenden Argumenten gleich von sich
aus entgegengetreten wären.
Kiderlen.
Nr. 731.
Kaiser Wilhelm II., z. Z. in Donaueschingen,
an das Auswärtige Amt.1)
Entzifferung.
Telegramm. Donaueschingen, den i. Dezember 1912.
Nr. i4.
Die türkische Nachricht über Ferdinands Angebot des Bündnisses* 2)
hat mich nicht überrascht, so wenig als seine Verräterei den Alliierten
gegenüber. Es ist ein genialer großangelegter Gedanke! Der Schutzherr
der zusammengebrochenen Türkei und der Führer der regenerierten, um
mit ihr gemeinsam sich der Russen zu erwehren und die Serben nieder¬
zuhalten. Österreich muß mit Turko-Bulgarien ein Militärbündnis ma¬
chen und wir mithelfen, die beiden zu stärken und zu regenerieren. Grie¬
chenland und sogar Serbien werden durch dieses Mächtegewicht rettungs¬
los an Österreich herangetrieben. So wird Österreich die Vormacht im
Balkan und östlichen Mittelmeer, mit Italien gemeinsam sowie der regene¬
rierten beziehungsweise neu zu bauenden turko-bulgarischen Flotte ein
mächtiges Gegengewicht gegen England, dessen Weg nach Alexandrien
bedroht werden könne. Rußland ist dann im Balkan erledigt und in Odessa
bedroht. Dann sind die Dreibundmächte die Präponderanten im Mittel¬
meer, haben die Hand auf dem Kalifen, damit auf die ganze moham¬
medanische Welt! (Indien). Serbien dürfte gründlich lackiert sein! und
wir können unsere Türkenpolitik wieder auf nehmen.
Wilhelm I. R.
x) Die Große Politik Bd. 3i5, lNr. 12468, S.44**
2) Vgl. Nr. 12 45g. Für den Kaiser ist es ungemein charakteristisch, daß er auf
die erste, noch in keiner Weise beglaubigte Nachricht von dem bulgarischen Bündnis-
angebot und trotz der inneren Unwahrscheinlichkeit einer wirklichen Verbrüderung
zwischen Türkei und Bulgarien, die erst unter dem Drucke des Weltkrieges zustande
kommen konnte, im Nu förmliche Luftschlösser auf baute. Es zeigte sich auch dies¬
mal, daß solche flüchtigen Konzeptionen von dem Auswärtigen Amte nach ihrem wahren
Werte eingeschätzt wurden. Zwar konnte das Auswärtige Amt nicht umhin, als am
a. Dezember im Anschluß an das obige Telegramm ein ausdrücklicher Befehl des
Kaisers einlief, dem Botschafter in Konstantinopel zu eindringlichster Befürwortung
der Annahme des bulgarischen Bündnisangebots bei der Pforte zu instruieren (vgl.
Nr. 12 469 nebst Fußnote*), dieser Weisung nachzukommen, es geschah aber in so
Vorsichtiger Form, daß eine Schädigung der deutschen Politik davon nicht zu be¬
fürchten stand. Eine weitere Folge hat das phantastische Telegramm des Kaisers vom
1. Dezember nicht gehabt.
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