Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Nr. 730. 
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Ki- 
derlen an den Botschafter in Wien von Tschirschky. 0 
Konzept von der Hand des Vortragenden Rats von Rosenberg. 
Telegramm. Berlin, den 3o. November 1912. 
Nr. i55. (Abgegangene am 1. Dezember.) 
Antwort auf Bericht Nr. 4o2* 2). 
Auch bei nochmaliger sorgfältiger Prüfung vermögen wir in Note 
„Norddeutscher Allgemeinen“ nichts zu finden, was als Abrücken von 
Österreich ausgelegt werden könnte. Wie für jedermann erkennbar, ver¬ 
folgte Note einzigen Zweck, übertriebenen Alarmnachrichten beruhigend 
entgegenzuwirken und — nicht zuletzt im Interesse unseres Verbündeten 
— weiteres Wachsen bedenklicher Nervosität zu hindern. Wenn wir in 
Note feststellen, Mobilisierung fünf österreichischer Armeekorps sei 
nicht erfolgt, und Österreich beabsichtige nicht, durch Ultimatum in 
Serbien militärische Operationen einzugreifen, so haben wir damit nur 
wiederholt, was uns Österreich selbst versichert hatte. Daß und warum 
sich Graf Berchtold ebensowenig wie Westmächte zum voraus auf be¬ 
stimmte Lösung albanischer und adriatischer Frage festlegen wollte, 
hatte der Minister Eurer Exzellenz soeben erst eingehend auseinander¬ 
gesetzt (Bericht Nr. 386 vom 21. November3). Zu nachträglichem Kom¬ 
mentar, der nur verwirren und neue Beunruhigung hervorrufen würde, 
können wir uns hiernach nicht verstehen. 
Wenn unsere Feinde die Kundgebung zur Spekulation auf Wiener 
Empfindlichkeiten zu mißbrauchen suchen, so können wir dies be¬ 
dauern, aber nicht ändern. Durch klare, unzweideutige Stellungnahme 
an Seite unseres Verbündeten und bisherige ausgiebige diplomatische 
Unterstützung glauben wir Anrecht erworben zu haben, daß Öster¬ 
reich uns mit Mißtrauen verschont. Nachdem* Graf Berchtold 
Sache angeschnitten, möchte ich aber Bemerkung nicht unterdrücken, 
daß Fiktion Zwiespalt zwischen Berlin und Wien erst aufkommen konnte, 
als unsere auch äußerlich als hochoffiziös gekennzeichnete Verlautbarung 
in offiziöser österreichischer Presse ostentativ totgeschwiegen wurde. 
Jedenfalls hat mich russischer Botschafter bald nach unserer Veröffent¬ 
lichung auf diese auffällige Erscheinung angesprochen und entsprechende 
Schlüsse daraus gezogen. 
Bitte vorstehendes Graf Berchtold sagen. Im übrigen würde ich ge- 
x) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 4^7, S. 43o. 
2) Siehe Aktenstück Nr. 727. 
s) Siehe Nr. 12 419. 
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