Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Nr. 717. 
Der Botschafter in Petersburg Graf von Pourtales 
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.’) 
Ausfertigung. 
Nr. 326. St. Petersburg, den 20. November 1912. 
(pr. 22. November). 
Herr Sasonow ist nicht nur von mir, sondern auch von meinem öster¬ 
reichisch-ungarischen und englischen Kollegen sowie vom italienischen 
Geschäftsträger auf die von Herrn von Hartwig einem Diplomaten in 
Belgrad gegenüber getanen Äußerungen*) **) angeredet worden. Der Mi¬ 
nister hat auf das entschiedenste erklärt1), daß Herr von Hartwig eine 
solche Sprache nie geführt habe2) : „Vous pouvez dire de Hartwig, ce 
que vous voulez, mais vous ne pouvez pas dire qu’il est un imbécile3)“. 
Es sei eine Verleumdung, daß Herr von Hartwig Äußerungen getan 
haben solle, wie sie von ihm erzählt werden. Ich habe Herrn Sasonow 
erwidert, es sei nicht das erstemal, daß ich von einer hetzenden Rolle, 
die Herr von Hartwig in Belgrad spiele, gehört hätte. Ich erwähnte 
dabei, daß beim Ausbruch des Krieges ein Mitglied einer hiesigen Bot¬ 
schaft einer der Tripelententemächte in Gegenwart eines deutschen Se¬ 
kretärs von den „agissements de M. de Hartwig“ gesprochen habe. Auch 
sei es immerhin auffallend, daß der Gesandte Rußlands, nachdem seine 
Regierung den Serben vom Kriege abgeraten habe, als einziger Diplomat 
den serbischen Kronprinzen beim Ausmarsch in den Krieg ein Stück 
Weges begleitet habe. 
Herr Sasonow wollte dies damit erklären, daß Herr von Hartwig es 
verstanden habe, sich auf sehr guten Fuß mit den Mitgliedern der ser¬ 
bischen Königsfamilie zu stellen4). Schließlich bemerkte ich noch, daß 
die Äußerungen des Gesandten, in dem vor kurzem im „Temps“ er¬ 
schienenen Interview ebenfalls nicht gerade geeignet erschienen, auf die 
Serben mäßigend einzuwirken. Auch diese Äußerung suchte der Mi¬ 
nister zu entschuldigen, indem er sie als harmlos bezeichnete5). Ich 
möchte aber doch glauben, daß der Umstand, daß vier auswärtige Ver¬ 
treter die Haltung des Herrn von Hartwig bei ihm zur Sprache ge- 
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 417, S. 388. 
**) Siehe Aktenstück Nr. 699. Über taktlose Äußerungen Hartwigs weiß auch der 
französische Botschafter in Petersburg Louis in einem Briefe vom 18. November zu 
berichten. Danach soll Hartwig kurz vorher zu einem seiner Kollegen gesagt haben: 
„L’affaire de la Turquie est faite. Maintenant c'est le tour de l’Autriche“. Ernest 
Judet, Georges Louis, p. 200. 
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