Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

bischer Ausdehnung genommen und sich darauf beschränkt, Kenntnis 
zu nehmen. Serbischer Gesandter bestätigt mir, bisherige neutrale Hal¬ 
tung Frankreichs, will aber Versicherungen Sympathien für serbische 
Ansprüche erhalten haben. Politischer Direktor hielt im Gespräch mit 
mir1) an Hoffnung fest, daß Ausweg im Sinne der rein kommerziellen 
Ausdehnung Serbiens nach Adria gefunden werden könne. Allerdings 
sei Lösung durch Vormarsch serbischer Truppen durch Albanien er¬ 
schwert. 
Paleologue versichert mir nebenbei gesprächsweise bestimmt, daß 
innerhalb Tripelentente keine besonderen Abmachungen bezüglich Kon¬ 
stantinopels bestehen. Er halte für möglich, daß Rußland nicht nur 
Festsetzen, sondern auch ein Einmarschieren der Bulgaren in Konstan¬ 
tinopel nicht zulassen und intervenieren würde* 2). 
Nr. 683. 
Der Botschafter in Paris Freiherr von Schoen 
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg.3) 
Ausfertigung. 
Nr. 38i. Paris, den 8. November 1912. 
(pr. 10. November) 
Der hiesige serbische Gesandte hat wiederholt mein Interesse für die 
erstrebte Ausdehnung Serbiens bis ans Adriatische Meer zu erwecken ge¬ 
sucht und zugunsten der Wünsche seines Landes nicht nur das bekannte 
Bedürfnis der Befreiung aus wirtschaftlicher Einengung vorgebracht, 
sondern auch den Hinweis darauf, daß Nordalbanien samt der Küste 
zum alten Serbenreich gehört habe. Es sei ihm unverständlich, wie sich 
Österreich-Ungarn durch eine solche Ausdehnung in seinen vitalen In¬ 
teressen gefährdet fühlen könne, noch weniger wolle ihm die Opposition 
Italiens einleuchten. Die österreichisch-ungarische Monarchie könne doch 
nur Vorteil darin finden, durch Berücksichtigung der serbischen Wünsche 
und Bedürfnisse anstatt eines durch stete Zurücksetzung gereizten Nach¬ 
barn einen dankbaren Freund (!?) an der Südgrenze zu haben4). Mei- 
x) Vgl. über das Gespräch auch die Aufzeichnung Paleologues vom 8. November. 
Französisches Gelbbuch: Les Affaires Balkaniques, I, 246, Aktenstück Nr. 684- 
2) Darüber war man in Paris doch sehr genau orientiert; vgl. Nr. 12 332, Fußnote**). 
Am 7. November war freilich in Paris (vgl. R. Poincare, Au Service de la France II, 
3i6) ein Telegramm Botschafter Paul Cambons eingelaufen, wonach die russische 
Regierung laut Mitteilung Graf Benckendorffs an Sir E. Grey sich mit einem vorüber¬ 
gehenden Einzug der Bulgaren in Konstantinopel abgefunden hätte, jedenfalls aber 
ihre Flotte ans Goldene Horn senden würde, um dort während der bulgarischen Okku¬ 
pation „en surveillance“ zu bleiben. Das sollte natürlich ein neuer Schreckschuß für 
Paris sein. 
3) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 353, S.307. 
4) Immoralität der Politik! Anm. d. V. 
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