Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

seine Befürchtung wach, daß es jetzt vielleicht nicht möglich sein werde, 
die Wünsche der beiden Länder in Einklang zu bringen, und deshalb 
halte er es für zweckmäßig, die Lösung dieser Frage bis zur allgemeinen 
Regelung aufzuschieben. 
Aus diesem Grunde sollten auch die Mächte auf Grund des türkischen 
Schrittes die Balkanalliierten fragen, ob sie geneigt wären, eine Vermitt¬ 
lung anzunehmen und selbst ihre Wünsche zu formulieren. Da Öster¬ 
reich sich heute außerhalb des europäischen Konzernes befände, werde 
man von ihm nicht erreichen können, daß es einem Schritte der Mächte 
beitrete, welcher einen Versöhnungsversuch auf der von Ihnen ange¬ 
gebenen Basis darstelle; es liege aber kein Grund vor, daß Österreich 
sich an dem von ihm in Aussicht genommenen Schritt nicht beteilige. 
Ich erfahre durch Mensdorff, daß Grey ihm gegenüber die Notwendig¬ 
keit betont hat, die österreichischen Wünsche zu mäßigen, deren Be¬ 
rechtigung er vom wirtschaftlichen Standpunkte aus durchaus anerkennt. 
Benckendorf f. 
Nr. 677. 
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Ki- 
derlen an den Botschafter in Wien vonTschirschky.1) 
Eigenhändiges Konzept. 
Nr. 786. Berlin, den 7. November 1912. 
Zur vertraulichen Information. 
Aus einer Quelle, die sich in Balkanfragen bisher bewährt hat, nament¬ 
lich auch schon vor Ausbruch des Krieges, höre ich, daß die serbischje 
Regierung nach dem absolut siegreichen Verlauf des Krieges die Ein¬ 
verleibung von ganz Albanien beabsichtige2). 
Die serbische Regierung behauptet, dafür der russischen Unterstützung 
sicher zu sein. Bei den Albanern selbst behaupten die Serben keinen 
erheblichen Widerstand zu erwarten; nötigenfalls würde er mit Gewalt 
niedergeschlagen werden. 
Sollte Österreich zum Schutze Albaniens eingreifen, könne Serbien 
nicht nur auf bulgarische, sondern auch auf russische Hilfe rechnen. 
Ew. wollen gelegentlich sich erkundigen, ob der dortigen Regierung 
etwas von derartigen Plänen Serbiens bekannt ist. 
Kiderlen. 
*) Die Große Politik Bd. 33, Nr. 12 335, S. 289. 
Derselbe Erlaß ging auch an die Botschaften in Paris (Nr. no5), in London 
(Nr. 1245), in Rom (Nr. 8i3), in Petersburg (Nr. 962). In dem Erlaß nach Paris, 
London und Petersburg waren am Schluß die Worte hinzugefügt: „und dabei auf die 
daraus entstehenden Gefahren hinweisen“, in dem nach Petersburg war außerdem noch 
als neuer Absatz hinzugesetzt: „Eine Andeutung hinsichtlich der angeblichen Unter¬ 
stützung durch Rußland bitte ich selbstverständlich zu vermeiden.“ 
2) Vgl. Nr. 12 338. Siehe das folgende Aktenstück. 
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