2. Das Begehren Serbiens einer Gebietserweiterung bis an die Adria
müsse a limine abgelehnt werden 3); es würde ein Zeichen dafür sein, daß
Serbien auf den Verkehr nach der Adria durch Bosnien auf Grund guter
wirtschaftlicher Beziehungen4) zu Österreich-Ungarn nicht rechnet.
Außerdem würde eine solche Vergrößerung auch durch nichtserbisches
Land gehen und würde die Albanesen schädigen5).
3. Die freie Entwicklung Albaniens stehe in direktem Zusammenhang
mit den Interessen der Monarchie. Österreich-Ungarn könne in jenen
Gegenden der Adria keine andere Großmacht dulden; daher müsse ein
lebensfähiges Albanien geschaffen werden6).
4. Die berechtigten Wünsche Rumäniens müßten befriedigt werden7).
5. Österreich-Ungarn verlange Grenzberichtigungen von minimalem
Umfange.
6. Nach der Annexion türkischer Gebietsteile durch die Balkanstaaten
müsse der freie Handel dorthin garantiert werden8).
7. Die wirtschaftlichen Interessen der Donaumonarchie auf dem Bal¬
kan müßten sichergestellt werden. Der Bau einer Bahn nach Saloniki
werde verlangt, welch letzteres Freihafen werden müsse9).
Die von Österreich-Ungarn erstrebte geringfügige Grenzberichtigung
bezieht sich auf die Einverleibung von Ada-Kaleh10). Wie ich ehr-
furchtsvollst bemerke, ist der gegenüber Orsova gelegene Ort Ada-Kaleh
eine kleine türkische Festung auf einer Insel im oberen serbisch-bulgari¬
schen Teil der Donau, nahe am Zusammenstoß der ungarischen, rumäni¬
schen und serbischen Grenze. Die Festung ist im Jahre 1717 von den
Österreichern angelegt; für die Türkei hat die Insel, die sie seinerzeit
bei Abschluß des russisch-türkischen Friedens noch besetzt hatte und in¬
folgedessen behielt, keinen strategischen Wert und wird vornehmlich
aus einem gewissen Nationalstolze als äußerstes Bollwerk des Islams
gegen Westen gehalten. Österreich als der mächtigste Donauuferstaat
mag ein Interesse daran haben, diesen Punkt nicht in die Hände der
Serben fallen zu lassen und ihn jetzt zu erwerben, nachdem es seine
diesbezüglichen Wünsche bei den Beratungen über den Frieden von
San Stefano nicht hat verwirklichen können.
Die Euerer Majestät alleruntertänigst unterbreiteten Erklärungen der
österreichisch-ungarischen Regierung lassen erkennen, daß sie gesonnen
ist, den veränderten Verhältnissen auf dem Balkan Rechnung zu tragen11)
und sich einer Vergrößerung Serbiens an sich nicht zu
widersetzen, ohne selbst territorialen Gewinn, etwa durch Geltend¬
machung besonderer Ansprüche auf den Sandschak von Nowibazar, als
Entgelt für diese entgegenkommende Haltung für sich erzielen zu wol¬
len. Diese versöhnliche Stellungnahme gegenüber der in der Entwicklung
begriffenen Neuordnung der territorialen, wirtschaftlichen, politischen
und militärischen Verhältnisse im Orient befindet sich in bemerkens¬
wertem Gegensatz zu derjenigen der russischen Regierung, die neueren
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