Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

zu handeln; irgendein anderes Projekt, als Bedingung auf erlegt, könnte 
Österreich einen überwiegenden Einfluß auf dem Balkan sichern. Eine 
Vorherrschaft Österreichs auf dem Balkan wäre für uns 
unannehmbar. Ich sagte Nicolson, daß Rußland sich im Falle einer 
Vermittlung gegen eine derartige Möglichkeit schützen müsse, und ent¬ 
wickelte die beiden Punkte, die in Ihrem Telegramm Nr. 2874 dargelegt 
werden. Nicolson sagte mir, das eben Gehörte habe auf ihn einen großen 
Eindruck gemacht. Er fragte, ob er die gesamte Lage folgendermaßen 
zusammenfassen könne: 1. Unser Reformprojekt hänge von Ereignissen 
ab, die territoriale Veränderungen notwendig machen könnten. 2. Not¬ 
wendigkeit einer bedingungslosen Uneigennützigkeits- 
erklärung von seiten der vermittelnden Mächte. 3. Die 
Maritza als Grenze der der unverminderten Autorität des Sultans unter¬ 
stellten Zone. 
Ich antwortete, daß ich mit dieser Darlegung einverstanden sei, und 
setzte hinzu, Sie glaubten, es wäre nötig, die Vermittlung unter französi¬ 
scher Initiative zu beschleunigen. 
Nicolson sagte, er werde mit niemand als mit Grey über das eben 
Gehörte sprechen. Ich glaube annehmen zu können, daß dieser Stand¬ 
punkt durchaus der der englischen Regierung ist; aus diesem Grund habe 
ich die Initiative ergreifen zu können geglaubt. 
Benckendorf f. 
Nr. 666. 
Telegramm des russischen Botschafters in London 
an den russischen Außenminister1) 
vom 17./30. Oktober 1912. 
Nr. 284. 
Ich beziehe mich auf mein Telegramm Nr. 283. In meiner Unter¬ 
redung mit Nicolson habe ich absichtlich nicht gesagt, was für eine 
Abmachung oder was für ein Vertrag zwischen Österreich 
und Serbien von uns befürchtet wird. Meine Beweisführung 
ging dahin, daß eine Uneigennützigkeitserklärung in jedem 
Falle nötig sei, vor allem aber, weil der Umschwung der Auffassung 
Österreichs hinsichtlich des territorialen Status quo darauf hindeuten 
könnte, daß Österreich eine Kompensation anderer Art suche, sei es 
auf dem Wege eines aufgezwungenen Bündnisvertrages, sei 
es auf dem eines Handelsvertrages, was eine sehr bedeutende und 
mit den russischen Interessen nicht zu vereinbarende 
Kompensation für Österreich wäre. In diesem Falle würde 
Österreich nicht eine uneigennützige, sondern eine bedingte Haltung ein- 
x) Graf Benckendorff Bd. II, Nr. 702, S. 467 ff. 
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