Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

augenblicklich größere Geldmittel aufgewendet werden 
als für die Bewegung in Mazedonien. Gleichzeitig wird in 
Serbien selbst für die Verbreitung der großserbischen Idee agitiert, 
und die serbische Presse bringt fortgesetzt Artikel, in welchen sie die 
ihre Österreich-Ungarn feindliche Gesinnung durch Angriffe gegen den 
K. u. K. Gesandten Grafen Forgach bekundet. 
Ich habe den Eindruck, daß König Peter und Herr 
Paschitsch1) diese Bewegung schüren, um die Bevölkerung 
von den unerquicklichen inneren politischen Verhältnissen nach Mög¬ 
lichkeit abzulenken, und um im Lande sich populär zu machen, und 
daß es eines äußeren Anstoßes zu ihrer Haltung nicht bedurfte. Ins¬ 
besondere sind keinerlei Anzeichen dafür vorhanden, daß Herr Serge- 
jew, der russische Gesandte, ein anständiger, dicker, ruhiger und jovialer 
Herr, die serbischen Machthaber irgendwie encouragiert hätte. Frau 
Sergejew, die Tochter des verstorbenen russischen Finanzministers 
Wyschnegradski, liebt aber die Serben im allgemeinen und die Prinzen 
des königlichen Hauses im besonderen und macht kein Hehl daraus. 
Das hat auf den Gatten ein wenig abgefärbt. So mag bei den Serben 
das Gefühl erweckt worden sein, daß ihre Haltung von russi¬ 
scher Seite gebilligt wird. 
Ein Beispiel für das Verhalten von Frau Sergejew: Das russische 
und das italienische1 2) Gesandtenpaar machten dieser Tage einen Aus¬ 
flug nach dem Dorfe Topola, wo der Großvater des Königs Peter, 
der schwarze Georg, begraben liegt, der Komitadji aus dem Anfang 
des vorigen Jahrhunderts, der als Befreier von dem Türken joch gefeiert 
wird. Auf Vorschlag von Frau Sergejew wurde von dort ein gemein¬ 
schaftliches Telegramm an Seine Majestät den König nach Belgrad 
gesandt. Eine an Lächerlichkeit streifende Pose, über die bisher nichts 
in die Öffentlichkeit gedrungen ist. Die Absender mögen auch wohl 
nachträglich das richtige Gefühl gehabt haben, denn sie haben ihre 
Demonstration bei ihrer Rückkehr vor den Kollegen verborgen. Ich 
erfuhr davon ganz zufällig. König Peter hat übrigens freundlich dan¬ 
kend geantwortet. 
Wenn überhaupt hier von russischer Seite augenblicklich gehetzt 
worden ist, so könnte das allenfalls von dem ersten Sekretär der Ge¬ 
sandtschaft3) in selbständigem Vorgehen geschehen sein. Das offizielle 
Rußland dürfte trotz der Rücksichtnahme auf die panslawistische Emp¬ 
findlichkeit noch für eine Reihe von Jahren kein Interesse daran haben, 
ernste Störungen auf dem Balkan hervorzurufen, und vielmehr wün¬ 
schen, die Entente mit Österreich-Ungarn aufrechtzuerhalten. 
Zu dem erwähnten Telegramm sagte mir der österreichisch-unga¬ 
1) Serbischer Ministerpräsident. 
2) Marchese Guiccioli. 
3) Evreimow. 
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