augenblicklich größere Geldmittel aufgewendet werden
als für die Bewegung in Mazedonien. Gleichzeitig wird in
Serbien selbst für die Verbreitung der großserbischen Idee agitiert,
und die serbische Presse bringt fortgesetzt Artikel, in welchen sie die
ihre Österreich-Ungarn feindliche Gesinnung durch Angriffe gegen den
K. u. K. Gesandten Grafen Forgach bekundet.
Ich habe den Eindruck, daß König Peter und Herr
Paschitsch1) diese Bewegung schüren, um die Bevölkerung
von den unerquicklichen inneren politischen Verhältnissen nach Mög¬
lichkeit abzulenken, und um im Lande sich populär zu machen, und
daß es eines äußeren Anstoßes zu ihrer Haltung nicht bedurfte. Ins¬
besondere sind keinerlei Anzeichen dafür vorhanden, daß Herr Serge-
jew, der russische Gesandte, ein anständiger, dicker, ruhiger und jovialer
Herr, die serbischen Machthaber irgendwie encouragiert hätte. Frau
Sergejew, die Tochter des verstorbenen russischen Finanzministers
Wyschnegradski, liebt aber die Serben im allgemeinen und die Prinzen
des königlichen Hauses im besonderen und macht kein Hehl daraus.
Das hat auf den Gatten ein wenig abgefärbt. So mag bei den Serben
das Gefühl erweckt worden sein, daß ihre Haltung von russi¬
scher Seite gebilligt wird.
Ein Beispiel für das Verhalten von Frau Sergejew: Das russische
und das italienische1 2) Gesandtenpaar machten dieser Tage einen Aus¬
flug nach dem Dorfe Topola, wo der Großvater des Königs Peter,
der schwarze Georg, begraben liegt, der Komitadji aus dem Anfang
des vorigen Jahrhunderts, der als Befreier von dem Türken joch gefeiert
wird. Auf Vorschlag von Frau Sergejew wurde von dort ein gemein¬
schaftliches Telegramm an Seine Majestät den König nach Belgrad
gesandt. Eine an Lächerlichkeit streifende Pose, über die bisher nichts
in die Öffentlichkeit gedrungen ist. Die Absender mögen auch wohl
nachträglich das richtige Gefühl gehabt haben, denn sie haben ihre
Demonstration bei ihrer Rückkehr vor den Kollegen verborgen. Ich
erfuhr davon ganz zufällig. König Peter hat übrigens freundlich dan¬
kend geantwortet.
Wenn überhaupt hier von russischer Seite augenblicklich gehetzt
worden ist, so könnte das allenfalls von dem ersten Sekretär der Ge¬
sandtschaft3) in selbständigem Vorgehen geschehen sein. Das offizielle
Rußland dürfte trotz der Rücksichtnahme auf die panslawistische Emp¬
findlichkeit noch für eine Reihe von Jahren kein Interesse daran haben,
ernste Störungen auf dem Balkan hervorzurufen, und vielmehr wün¬
schen, die Entente mit Österreich-Ungarn aufrechtzuerhalten.
Zu dem erwähnten Telegramm sagte mir der österreichisch-unga¬
1) Serbischer Ministerpräsident.
2) Marchese Guiccioli.
3) Evreimow.
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