Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

losgelöstes Kroatien ist, welches jedoch im Rahmen der österreichischen 
Gesamtmonarchie verbleiben und in welchem die Führerschaft mit Aus¬ 
schluß des serbischen Elements den Kroaten gesichert sein soll. Die 
dieser Partei eigentümliche Feindschaft gegen alle großserbischen Präten¬ 
tionen war bisher verkörpert in der Person ihres Leiters Dr. Frank. 
In dem Umstand nun, daß dieser sich kürzlich veranlaßt gesehen hat, 
die Parteileitung niederzulegen, kann man einen weiteren Erfolg der 
großserbischen Idee erkennen. 
Hier in Kroatien wird voraussichtlich auch der Schauplatz sein, auf 
dem sich die großserbische Agitation der ungarischen Regierung — 
deren jetzige Mitglieder sic großgezogen haben, als sie noch in der 
Opposition standen — zunächst unangenehm bemerkbar machen wird. 
Sie kann ihr mit Erfolg begegnen, wenn sie sich dazu versteht, ihre 
Freunde von damals zu verleugnen und mit den nationalkroatischen 
Elementen der Volksvertretung zu paktieren. Einen Beweis dafür, daß 
die ungarische Regierung nicht blind ist für die Gefahren der gro߬ 
serbischen Agitation in Kroatien liefert eine Rede des Ministerpräsi¬ 
denten Dr. Wekerle im ungarischen Abgeordnetenhause, in der er offen 
erklärt, daß man „von Belgrad nach Kroatien hinüberschiele“. 
Die politischen Verhältnisse in den okkupierten Provinzen haben sich 
infolge der zunehmenden serbischen Agitation in letzter Zeit unstreitig 
schwieriger gestaltet. Solange die österreichische Regierung sich nicht 
entschließen wird, selbständig Anteil an der bosnischen Politik zu 
nehmen, sondern sie wie bisher unbekümmert um die Rückwirkungen, 
die die politischen Fehler, die dort begangen werden, auf die Verhält¬ 
nisse der Gesamtmonarchie eines Tages auszuüben geeignet sind, in den 
Händen eines gemeinsamen Finanzministers beläßt, der — selbst kein 
Mann von Tatkraft — die Dinge dort durch die ungarische Brille 
ansieht, so lange wird eine den Interessen des Gesamt¬ 
staates entsprechende Konsolidierung der Verhältnisse 
dort schwerlich eintreten. 
von Tschirschky. 
Nr. 424. 
Der Gesandte in Belgrad Prinz von Ratibor 
an den Reichskanzler Fürsten von Bülow.1) 
Ausfertigung. 
Nr. 65. Belgrad, den 26. Mai 1908. 
Die serbischen offiziellen Kreise fahren fort, im Aus¬ 
lande großserbische Propaganda zu treiben, und zwar 
in erster Linie in Bosnien, Ungarn und Kroatien, wo 
*) Die große Politik Bd. 26 (I. Hälfte) Nr. 8916 S. 9ff. 
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