Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Bulgariens und Griechenlands führen würden. Die bulgarische Regie¬ 
rung sei fest entschlossen, keine Schritte zu tun, die Rußland gegen 
seinen Willen zu militärischen Maßnahmen veranlassen 
würden, aber andererseits müsse Rußland Bulgarien die Freiheit 
lassen, gemäß dem Lauf der Ereignisse und etwa sich bietenden, gün¬ 
stigen Umständen diesen oder jenen Beschluß zu fassen, ohne die Mög¬ 
lichkeit eines gemeinsamen Vorgehens mit Italien aaszuschließen, das 
bereits Andeutungen in diesem Sinne gemacht habe. 
Bulgarien gebe zu, daß Konstantinopel und die Meerengen dem spe¬ 
ziellen Interessenkreis Rußlands angehörten und ziehe die Möglichkeit 
in Betracht, daß wir uns solange fernhalten könnten, als diese Interessen 
nicht berührt würden. Das würde sogar für Bulgarien vorteilhaft sein, 
weil eine abwartende Haltung Rußlands auch Österreich 
verhindern würde, sich in die Angelegenheiten zu mi¬ 
schen: die allgemeine Klärung der Lage würde Sache Europas sein, 
voraussichtlich auf einem Kongreß oder einer Konferenz, wo Rußland 
nicht nur von Frankreich und England, sondern auch von Italien unter¬ 
stützt werden würde. 
Vorstehendes gibt so genau wie möglich die langen Auseinandersetzun¬ 
gen Todorows wieder. Nachdem ich ihm aufmerksam zugehört hatte, 
antwortete ich ihm, daß ich mich eines grundlegenden Urteils enthalten 
wolle, Ihn aber darauf aufmerksam machen möchte, wie schwierig es 
sei, seinen Plan auszuführen, besonders in betreff Österreichs, das sich, 
selbst wenn wir passiv blieben, kaum einer aktiven Intervention enthalten 
würde. Auf meine Frage: „Was hält König Ferdinand von diesem 
Plan?“ antwortete Todorow, der König habe in der letzten Zeit die 
wahrhaften historischen Aufgaben Bulgariens begriffen 
und sei mit seinem Volk und seiner Regierung eines Sinnes. Den Beweis 
dafür bilde seine Einwilligung in das bulgarisch-serbische Bündnis. An¬ 
dererseits dürfen wir es nicht aus den Augen verlieren, daß er im kri¬ 
tischen Augenblick jede Hand ergreifen wird, die ihm Hilfe anbietet. 
Das aber müßten wir notwendig im Auge behalten. 
Die Gedanken, die mir Todorow darlegt, verdienen, wie mir scheint, 
um so mehr Beachtung, als er, wie ich weiß, eines der tätigsten und ein¬ 
flußreichsten Mitglieder des Kabinetts Geschows ist. Wie Ihr Brief an 
A. B. Nekludow zeigt, hat Danew auch damit begonnen, daß er 
Ihnen erklärte, es sei notwendig, die jetzigen Schwierigkeiten 
der Türkei auszunutzen. Ich weiß nicht, ob er in seiner Auf¬ 
richtigkeit so weit gegangen ist wie Todorow. Aus privater, aber wohl¬ 
unterrichteter Quelle weiß ich, daß er sich sehr über die kalte Dusche 
beklagt hat, die er von Ihnen erhielt und daß er während seines Auf¬ 
enthaltes in Petersburg bemüht war, Sympathien für die bulgarischen 
Bestrebungen in der Gesellschaft und in der Presse zu erwerben. Wie 
dem auch sei, ich glaube nicht, daß die Bekenntnisse Todorows nur 
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