Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

habe ich vernommen, daß Euer Majestät Gesundheit in letzter Zeit 
wieder zu wünschen übrig ließ. Ich möchte deshalb vor allem meine 
ehrfurchtsvollen Wünsche dahin aussprechen, daß Gott Euer Majestät 
Kraft und Gesundheit auch fernerhin verleihe zur Erfüllung Höchstdero 
schwerer Herrscherpflichten und weiter, wie bisher, den Stern über Euer 
Majestät gesegnete Regierung walten lasse, der bald ein halbes Jahr¬ 
hundert für das Land Rumänien und für die Ruhe Europas so Großes 
geleistet hat. 
v Wenn mir Euer Majestät allergnädigst eine politische Betrachtung ge¬ 
statten wollen, so möchte ich die politische Lage im Orient als nicht so 
bedrohlich bezeichnen, wie dies vielfach geschieht — namentlich weil 
Rußland weder ein Interesse noch — offensichtlich — auch den Wunsch 
hat, im Orient Komplikationen hervorzurufen oder auch nur zu dulden. 
Dies scheint mir schon aus der fast krampfhaften Art hervorzugehen, in 
der sich die russische Regierung bemüht, den Frieden zwischen Italien 
und der Türkei wiederherzustellen. An einen nahen Erfolg dieser Be¬ 
mühungen kann ich schwer glauben; wir machen aber alles optima fide 
mit, damit es nicht hinterher wieder heißt, das böse Deutschland habe 
die schönsten Friedensbestrebungen der anderen Mächte am Erfolg ge¬ 
hindert. 
Die eifrigen Friedensbemühungen Rußlands, so sehr wir sie mit 
Freuden begrüßen, dürften doch vielleicht auf einer Überschätzung des 
Einflusses beruhen, den der Stand des italienisch-türkischen Zwistes auf 
die Ruhe im Balkan hat. Da die Türkei durch eine Fortdauer des so¬ 
genannten „Krieges“ wegen Tripolitaniens nur wenig in direkte Mit¬ 
leidenschaft gezogen wird, und da sie insbesondere aus diesem Anlaß 
auch noch nicht einen Mann vom Balkan wegzuziehen genötigt war, 
dürfte — meines unmaßgeblichen Erachtens — der Einfluß der Fort¬ 
dauer des „Kriegszustandes“ auf die allgemeine Lage im Balkan kein 
allzu großer sein. Ob die Ruhe dort aufrechterhalten wird, dürfte viel¬ 
mehr im wesentlichen von Rußlands Verhalten abhängen und von den 
Balkanstaaten selbst, die aber kaum gegen eine direkte Order aus Peters¬ 
burg losschlagen werden. Dabei wird eine ausschlaggebende Rolle, wie 
bisher, stets in der Hand Euer Majestät bleiben. 
Es ist auffallend, daß — wie ich aus manchen Anzeichen ersehe — 
auch nach Aehrenthals Tod, dem nun einmal die bosnische Sache nicht 
vergeben werden konnte, das Mißtrauen gegen Österreich-Ungarns Pläne 
im Orient in St. Petersburg anhält. Man versieht sich dort offenbar 
seitens dieser Monarchie allerlei aggressiver Pläne, insbesondere gegen 
Serbien, vielleicht auch Albanien. 
Wir haben in dieser Beziehung soeben eine sehr charakteristische 
mündliche Mitteilung aus absolut sicherer Quelle erhalten. Es ist zwi¬ 
schen Bulgarien und Serbien unter den direkten Auspizien von Rußland 
ein geheimer Bündnisvertrag abgeschlossen worden. Der Vertrag ist be¬ 
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