Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Nr. 497. 
Streng vertraulicher Brief des russischen Außen¬ 
ministers an den russischen Geschäftsträger in Sofia1) 
Nr. 759. Petersburg, den 3./i6. August 1909. 
Ich habe Ihre letzten politischen Berichte erhalten, die die wichtige 
Frage der jetzigen Richtung der bulgarischen Außenpolitik erörtern. 
Ihre Nachrichten stimmen mit dem überein, was mir auch von serbischer 
Seite mitgeteilt worden ist. Wenn man Ihren Brief mit der serbischen 
Mitteilung vergleicht, so kann man nicht umhin, eine gewisse Überein¬ 
stimmung der darin mitgeteilten Nachrichten zu erblicken. Von beiden 
Seiten ist auf den bedeutungsvollen Umstand hingewiesen worden, daß 
die bulgarische Regierung den Wunsch geäußert hat, aus dem Beglau¬ 
bigungsschreiben des serbischen Gesandten in Sofia sollten die Worte 
ausgelassen werden, welche die engen Beziehungen zwischen den beiden 
slawischen Völkern erwähnten. 
Sehr bedeutsam ist die auch aus anderer Quelle bestätigte Erwähnung 
von Verhandlungen zwischen Bulgarien und Österreich, deren Charak¬ 
ter uns bisher noch nicht genügend bekannt ist. Man kann übrigens 
mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß außer rein kommer¬ 
ziellen Fragen, wovon Ihre Unterredung mit Sallabascheff zeugt, auch 
solche politischer Natur besprochen wurden, und zwar wohl kaum in 
einem für Rußland sehr freundschaftlichen Sinne. 
Was jedoch Ihren Hinweis auf die Möglichkeit einer Aufteilung Ser¬ 
biens anbelangt, so erscheint uns eine solche Annahme unwahrschein¬ 
lich, da Bulgarien wohl kaum wünscht, der direkte Nachbarstaat Öster¬ 
reich-Ungarns zu werden. 
In Anbetracht all dieser Umstände kann die russische Regierung der 
neuen Richtung der bulgarischen Politik nicht teilnahmlos gegenüber¬ 
stehen und ich bitte Sie, einen diesbezüglichen vertraulichen Meinungs¬ 
austausch mit dem bulgarischen Außenminister herbeizuführen. Sie 
können das Ihnen hiermit zur Verfügung gestellte Material benutzen, 
ohne jedoch zu erkennen zu geben, aus welcher Quelle es stammt, um 
dem Minister in freundschaftlicher Weise zu erklären, einen wie un¬ 
günstigen Eindruck auf uns einerseits die geheimnisvollen Beziehungen 
zu Wien machen und andererseits die unliebenswürdige Haltung dem 
benachbarten slawischen Staate gegenüber. Wir lassen natürlich nicht 
die Möglichkeit zu, daß während des Bestehens der bekannten gegen¬ 
seitigen Verpflichtungen zwischen Rußland und Bulgarien letzteres 
wirklich die Absicht habe, Österreich gegenüber Verpflichtungen ein¬ 
zugehen, die in den umlaufenden Gerüchten erwähnt werden; doch 
^ Diplomatische Aktenstücke S. ifo—143 und Benckendorff Bd. I, Nr. 94, S.137 
mit einigen Textänderungen. 
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