Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

Die Bedeutung dieses Artikels erscheint noch größer, zumal das bul¬ 
garische Pressebüro ihn in alle Zeitungen von Sofia lanciert hat und 
die etwas später in der „Neuen Freien Presse“ abgegebenen Erklärungen 
Malinows mit den wichtigsten Ideen dieses Artikels vollkommen über¬ 
einstimmen. 
Anläßlich eines Artikels der „Nowoje Wremja“, in dem es hieß, 
daß Bulgarien die Absicht hatte, das Maximum an Erleichterungen für 
seine Viehausfuhr beim Abschluß eines Handelsvertrages mit Öster¬ 
reich zu verlangen, um auf diese Weise gleichzeitig einer Lösung der 
sehr peinlichen Frage in den österreichisch-serbischen Handelsvertrags¬ 
verhandlungen beizutragen, hat Malinow einem Wiener Journalisten er¬ 
klärt, daß Bulgarien beim Abschluß eines Handelsvertrages mit Öster¬ 
reich-Ungarn sich nur von seinen eigenen Interessen würde leiten lassen. 
Nicht um Malinow einen Vorwurf zu machen, wird dies angeführt, 
sondern weil es charakteristisch ist, daß Malinow es für nötig erachtet 
hat, selbst in Wien zu erklären, daß man den Artikel der „Nowoje 
Wremja“ nicht in dem Sinne auslegen solle, daß zwischen Serbien und 
Bulgarien auf dem Gebiete der Handelsvertragsverhandlungen Solidari¬ 
tät herrsche. Aus den oben angeführten Tatsachen geht hervor, daß 
die serbischen Bemühungen in den zuständigen bulgarischen Kreisen 
nicht nur keine günstige Aufnahme finden, sondern daß die alten, von 
der bulgarischen Regierung gemachten Schwierigkeiten auch jetzt noch 
bestehen. Glücklicherweise muß man feststellen, daß alle bulgarischen 
Politiker mit der offiziellen Politik Bulgariens nicht solidarisch sind, 
und daß ernste Staatsmänner sogar einen absolut entgegengesetzten 
Standpunkt bezüglich der Fragen vertreten, die einen direkten Einfluß 
auf die Natur und Entwicklung der serbisch-bulgarischen Beziehungen 
haben. Dies läßt hoffen, daß die serbisch-bulgarische Entente nicht 
unmöglich sein wird. 
Angesichts dieser Lage der Dinge war Serbien genötigt, sich jeglicher 
weiteren Aktion, die seiner Würde widersprechen würde und nicht nur 
unnütz, sondern auch gefährlich wäre, zu enthalten. Von jetzt ab, wo 
jegliche diplomatische Verhandlungen und jegliche Pressepolemik auf¬ 
gehört haben, scheint sich in Bulgarien ein gewisser Umschwung be¬ 
merkbar zu machen, vorläufig nur in der Presse, doch ist es möglich, 
daß er später auch in den offiziellen Kreisen zu beobachten sein wird. 
Serbien wünscht aufrichtig und hofft, daß dieser Umschwung ange¬ 
sichts der politischen Situation auf dem Balkan wie auch der bul¬ 
garischen Interessen eine bestimmtere Form annehmen wird, es sei 
denn, daß Bulgarien sich nicht schon definitiv an Österreich gebunden 
hat. Jedenfalls bietet der gegenwärtige Moment den befreundeten Mäch¬ 
ten die günstige Gelegenheit, um ihren ganzen Einfluß bei der bul¬ 
garischen Regierung für die Verwirklichung der in Frage stehenden 
Idee einzusetzen. 
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