Volltext: Diplomatische Geheimakten aus russischen, montenegrinischen und sonstigen Archiven (Band II 1929)

eigenen Prüfung und Beurteilung bekanntgegeben wird, ein Material 
in das bis jetzt nur Fachleute Einsicht genommen haben. Abgesehen von 
Deutschland, wo schon jetzt ein größeres Interesse für diese Zusammen¬ 
hänge festzustellen ist, spielen die Zweckmäßigkeitserwägungen dieser 
Publikation vor allem für diejenigen Länder eine große Rolle, die durch 
eine geschickte Propaganda und durch reichlich zu Gebote stehende 
Mittel in der Hypnose einseitiger Schuld belassen und irregeführt wer¬ 
den, vor allem aber gerade für die Gebiete des heutigen südslawischen 
Staates, die sich in vollkommener Unkenntnis des gesamten Aktenmate¬ 
rials befinden, und die durch Rechtfertigungsversuche, die als grotesk 
zu bezeichnen sind, zur Nachprüfung ihrer bisherigen Ansichten ver¬ 
anlaßt werden müssen. Schon auch aus diesen Gründen ergibt sich die 
Nützlichkeit der Übersetzung der wichtigeren Aktenstücke in alle Kultur¬ 
sprachen von selbst. 
Die Akten der ausländischen Archive bieten eine wertvolle Ergänzung 
zu den von mir im ersten Bande veröffentlichten serbischen Dokumen¬ 
ten. Sie zeigen die innige Zusammenarbeit der russischen und serbischen 
Diplomatie, die sich gegen Österreich-Ungarn richtet; in den serbischen 
Akten unklare Zusammenhänge werden namentlich durch die russischen 
Geheimakten in dankenswerter Weise aufgeklärt, manche Lücken wer¬ 
den ergänzt, so manches Intrigenspiel aufgedeckt. Der präponderante 
Einfluß der russischen Diplomatie in Belgrad tritt offen zutage. „Das 
revolutionäre Archiv“ in Moskau enthält noch äußerst wertvolles Mate¬ 
rial zum Verständnisse der serbischen Vorkriegspolitik, insbesondere 
was die serbisch-russische Zusammenarbeit zur Bekämpfung Österreich- 
Ungarns betrifft. Die amtliche Korrespondenz des russischen Gesandten 
Hartwig in Belgrad konnte bis jetzt nur zu einem geringen Teile ver¬ 
öffentlicht werden. Auch die amtliche russische Korrespondenz, die 
sich auf den Thronwechsel von 1903 in Serbien bezieht, verdient be¬ 
sondere Beachtung. 
Die Sowjetregierung, die sich schon durch verschiedene Veröffentli¬ 
chungen aus den russischen Archiven der Vorkriegszeit ein großes Ver¬ 
dienst um die Erforschung der Kriegsursachen erworben hat, würde 
sich ein weiteres unvergängliches Verdienst in dieser Beziehung erwer¬ 
ben, wenn sie gerade die auf Serbien bezüglichen Aktenstücke des Archivs 
des ehemaligen kaiserlich-russischen Ministeriums des Äußern selbst ver¬ 
öffentlichen, oder wenigstens mit ihrer Genehmigung und unter ihrer 
Kontrolle eine auszugsweise Veröffentlichung der wichtigsten Akten 
von fachmännischer Seite zulassen würde. Es ist als eine erfreuliche Tat¬ 
sache zu bezeichnen, daß sich die Sowjetregierung nach den neuesten 
Mitteilungen zu weiteren Veröffentlichungen aus den ehemaligen zaristi¬ 
schen Archiven des Ministeriums des Äußern entschlossen hat. 
Die Sowjetregierung muß auch von ihrem Standpunkte aus ein Inter¬ 
esse daran haben, daß die für den Weltfrieden so verhängnisvolle Wühl¬ 
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