Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

vorher mit den Mächten verständigt hätten; er fügte hinzu, daß 
die englische Regierung gehofft habe, wir würden sie um ihre Mei¬ 
nungsäußerung angehen. Die englische Regierung habe aus Ihrer Er¬ 
klärung geschlossen, daß dies geschehen werde; sie habe für diesen 
Fall Instruktionen ihrem Gesandten in Belgrad geschickt und es sei 
sehr zu bedauern, daß die serbische Regierung sogar nicht einmal 
Rußland um Rat gefragt hätte. Auf meine Bemerkung, daß Grey bei 
unserer letzten Zusammenkunft nichts erwähnt hätte, obwohl ich ihm 
dazu einen Anlaß gab, erwiderte Hardinge, daß Grey uns seinen Rat nicht 
habe aufdrängen wollen. Hardinge erklärte, daß er den Nachrichten 
von einem Ultimatum keinen Glauben schenke, aber wahrscheinlich 
werde Österreich-Ungarn einen neuen Schritt unternehmen, der natür¬ 
lich schärfer als der erste sein werde. Ich schließe aus der ganzen 
Unterredung, daß die englische Regierung wünscht, wir möchten die 
Antwort auf diesen Schritt vorher Rußland und England zur Begut¬ 
achtung mitteilen. 
Nr. 72. 
Der serbische Gesandte Wesnitsch, Paris, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Telegramm: Paris, den 5./18. März 1909. 
Ich habe Ihre beiden Telegramme von heute erhalten. Es bedarf mehr 
als je der Geistesgegenwart und Kaltblütigkeit. Grey hat gestern an die 
hiesige Regierung zwei Vorschläge hintereinander zur Beseitigung des 
Konfliktes gemacht. Wenn man die Ansicht Roms und Petersburgs 
erfährt, wird in Wien und Belgrad weitergearbeitet werden können. 
Cambon ist angewiesen, in Berlin wegen Unterstützung der englisch¬ 
französisch-russischen Vorschläge bei der deutschen Regierung tätig 
zu sein. Der englische Vorschlag ist wohl begründet, gut, und ent¬ 
spricht ziemlich dem Wunsche unserer Regierung. 
Nr. 73. 
Der serbische Gesandte Popowitsch, Petersburg, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Petersburg, den 5./i8. März 1909. 
Vor und nach Ihrem Telegramm bin ich bei Iswolski gewesen, der 
mir folgendes sagte: „Ihr seid schon von Anfang an meiner 
Politik hinderlich gewesen; bei euch gibt es Leute, die glauben, daß 
die russische Regierung durch Agitationen in der russischen öffent¬ 
lichen Meinung zum Kriege gezwungen werden könne und alle euch 
gegebenen Ratschläge Rußlands nehmt ihr nur zur Hälfte an. Ich weiß, 
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