Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

es wirklich eine Sünde und eine Sünde, welche unsere Freunde in 
England nicht begreifen können, daß die königliche Regierung unter 
solchen Verhältnissen noch immer nicht ihren Gesandten am Hofe von 
Saint James ernannt hat. Ich frage mich vergeblich: Woran liegt es, 
daß diese Ernennung nicht erfolgt? Gibt es denn auch nur einen ein¬ 
zigen Serben, der diese Ehre und die Pflicht wie jede andere in so 
ernsten und schicksalsschweren Augenblicken nicht übernehmen werde? 
Nr. 69. 
Der serbische Gesandte Popowitsch, Petersburg, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Telegramm: Petersburg, den 3./i6. März 1909. 
Hier herrscht noch die gleiche Beunruhigung. Ich sagte heute zu 
Tscharikow, daß ich mich über eine so große Furcht wundere, da 
man bei uns, trotzdem Belgrad an der Grenze Österreich-Ungarns 
liege, sich nicht fürchte. Obwohl Tscharikow heute weniger pessi¬ 
mistisch gestimmt ist, denn man hat gewisse beruhigende Anzeichen 
aus Berlin, so glaubt er dennoch, daß man wenigstens in den Aus¬ 
drücken nachgiebig sein sollte, wenn Österreich-Ungarn nachträglich 
eine Aufklärung verlangen sollte; über unsere Antwort selbst wollte er 
sich nicht näher erklären, sondern sagte nur, daß sie nicht schlecht 
sei. Hier ist jeder Grund zum Handeln schwächer als die Kriegsfurcht, 
die das Motiv für die ganze Haltung der russischen Regierung schon 
vom Beginn der Krise an gebildet hat. 
Nr. 70. 
Spezial-Delegierter Koschutitsch, Petersburg, an das 
Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Petersburg, den 3./i6. März 1909. 
Die Wendung in der russischen Politik hat in parlamentarischen 
Kreisen Schrecken und Erbitterung hervorgerufen. Der Zorn auf 
Frankreich wird immer größer und größer. Die Erklärung 
Deutschlands war von erschütternder Wirkung. Zum 
Kriege unvorbereitet und nur über einen minimalen Teil seiner Kraft 
verfügend, fürchtet Rußland, daß das auf dem Höhepunkt seiner Be¬ 
reitschaft und Kraft stehende Deutschland diesen Zufall um jeden Preis 
ausnützen wird, um Rußland zu überfallen und zu vernichten; darum 
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