Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

alle Mächte tan sollten, denn diese Verständigung biete eine positive 
Grundlage für die weiteren Verhandlungen zwecks definitiver Lösung 
der in Rede stehenden Fragen. Sie zeige, daß Österreich den Weg der 
Zugeständnisse beschritten und begonnen habe, nicht bloß auf eigene 
Interessen, sondern auch auf die öffentliche Meinung Europas Rücksicht 
zu nehmen. Dadurch sei schon ein wichtiges Resultat erzielt worden: 
die Gefahr des Konfliktes zwischen der Türkei und Österreich sei ver¬ 
mieden. Durch die Verständigung seien die Aussichten auf eine Kon¬ 
ferenz nicht verändert, denn wie mir bereits erklärt worden sei, werde 
die Konferenz oder eine Art Konferenz in jedem Falle notwendig sein. 
In dieser Reziehung könne nur die Form in Frage kommen, d. h. ob 
die Mächte besondere Delegierte ernennen und sie nach Rom, Florenz 
oder irgendeiner andern Stadt entsenden oder einfach ihre Botschafter 
in einer der größeren Residenzen bevollmächtigen werden. — Nach 
der türkisch-österreichischen Verständigung, sagte Sir 
Charles, kommt die türkisch-bulgarische an die Reihe, 
deren Zustandekommen die Mächte vermitteln. Erst wenn 
auch diese Verständigung perfekt sei, würden die Mächte 
unsere Interessen erörtern und sich über deren Befriedi¬ 
gung verständigen. Vorläufig aber werde die serbische 
Frage beiseite gelassen. „Je vous dirai franchement et tout à 
fait en confidance, en vous priant de ne pas le répéter à Monsieur 
Milowanowitsch que pour le moment nous ne nous occupons pas du 
tout de la Serbie.“ Aber, fügte Sir Charles hinzu, das bedeutet nicht, 
daß wir Serbien vergessen haben, sondern nur, daß wir der Ansicht sind, 
daß die türkisch-bulgarische und die serbische Frage gesondert und in 
dieser Reihenfolge gelöst werden müssen. Was indessen unsere Geneigt¬ 
heit für Serbien anbetrifft, so kann ich Ihnen nur soviel sagen, daß 
diese sich nicht im geringsten geändert hat. Indessen sollt auch ihr 
nicht vergessen, daß die Befriedigung eurer Interessen einzig und allein 
vom guten Willen der Mächte abhängt, und deshalb ist es notwendig, 
daß ihr auch fernerhin ruhig und geduldig bleibt, wie ihr es bisher ge¬ 
wesen seid, was ich gern anerkenne. 
Indem ich Sie hiervon verständige, beehre ich mich hinzuzufügen, daß 
mir Herr W. Tyrell1), früher Beamter des Foreign Office und persön¬ 
licher Sekretär Sir Edward Greys, in einer Unterredung, die ich mit ihm 
hatte, gesagt hat, Sir Edward verbleibe entschieden bei seiner früheren 
Auffassung und Haltung bezüglich der Befriedigung unserer Interessen. 
Dasselbe ist mir auch von einer anderen Persönlichkeit bestätigt worden, 
der gegenüber sich Sir Edward noch ganz vor kurzem dahin geäußert 
hat, daß er „alles tun werde, was in seinen Kräften stehe, um uns zu 
helfen“. 
*) Heute Botschafter in Paris. 
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