Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

feld ist Serbien heldenhaft gefallen und dann wieder erstanden. Wenn 
es jetzt fällt im Kampfe für seine Existenz und seine Zukunft, wird 
es später doch wieder auferstehen. Wird es unter einer fremden Herr¬ 
schaft geeint, so wird es noch enger zusammen wachsen und ein Volk von 
9 bis io Millionen wird die Zeit erwarten können, wo es sich wieder 
erholen wird. Aber in diesem Falle zerfiele auch der Glaube an und die 
Hoffnung auf das glänzende Rußland auf immerdar. Das Volk denkt, 
wenn Rußland jetzt, wo England, Frankreich, die Türkei und selbst 
Italien an seiner Seite stehen, nichts machen und Österreich nicht zwin¬ 
gen könne, ein kleines, unansehnliches Stück Erde abzutreten, wodurch 
Serbien und Montenegro verbunden würden, was könne es da von 
Rußland erhoffen, wenn nicht so viele Mächte an seiner Seite sein 
werden? Das Volk fühlt instinktiv, daß seine Existenz bedroht ist und 
daß es in schändlicher und unerhörter Weise zugrunde gehen wird, wenn 
es nicht versucht, sich mit seinem eigenen Blute zu verteidigen. Ser¬ 
bien und Montenegro haben sich die Bruderhand gereicht und werden 
gemeinsam Vorgehen. Die Bosnier und die Herzegowiner können und 
werden die Annexion nicht ruhig hinnehmen. Daß sie jetzt schweigen, 
geschieht nur, weil sie hoffen, Rußland wird alles auf der Konferenz 
wieder gutmachen. Aber wenn sie sehen werden, daß ihnen von keiner 
Seite Hilfe zuteil wird, dann werden sie zum Bandenkampfe die Zuflucht 
nehmen, in der Hoffnung, daß ihnen Serbien und Montenegro beisprin¬ 
gen werden. Und wahrlich, wenn das serbische Volk in Serbien und 
Montenegro hören wird, daß seine Brüder sich schlagen, um sich zu ver¬ 
teidigen, da wird es niemand zurückhalten können, ihnen zu Hilfe zu 
kommen. Es wird die Regierungen stürzen, die ihm im Wege stehen 
und es wird dann auch noch weitergehen, wenn seine Herrscher es da¬ 
von abhalten sollten, daß Brüder Brüdern helfen. Geht es um die 
Existenz, die Ehre und die Würde des Volkes, dann wird man alles 
aufs Spiel setzen. 
Wenn Rußland Österreich nicht einmal zwingen kann, nur so viel Ge¬ 
biete abzutreten, daß sich Serbien und Montenegro berühren, dann hat 
eben Österreich Rußland und alle übrigen Gegner besiegt; denn alle an¬ 
deren Vorteile, die man für Serbien und Montenegro erreichen könnte, 
sind nicht so viel wert und können auch auf andere Art erlangt werden. 
Für Serbien ist es wertvoller, wenn Rußland die Annexion nicht an¬ 
erkennt, gegen sie protestiert und die Frage offenhält, als wenn es der 
Adriabahn zuliebe die Annexion anerkennt. 
Die Adriabahn wird Serbien sowieso erhalten, sobald Serbien und die 
Türkei in ein näheres Einvernehmen treten. Was den Artikel 29 des Ber¬ 
liner Vertrages betrifft, so hat sich Montenegro von ihm de facto losgesagt 
und damit ist er außer Kraft. Und was die Donaufrage anbelangt und 
die Erlassung der Djerdap-Taxen1), so interessiert sich Serbien dafür 
1) Eisernes Tor. 
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