Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

Kongreß gesündigt haben. Es wird tun, was möglich ist, mehr aber kann 
es nicht erreichen, denn es kann und will nicht Krieg führen. 
Man muß sich daher damit begnügen, was erreichbar ist und das übrige 
der Zukunft überlassen. Sehen Sie wie die Mächte ihren Standpunkt ge¬ 
ändert haben. Früher waren alle Mächte gegen uns: England, Frankreich 
und Italien. Aber auch sie wollen nicht für Euer Bosnien Krieg führen. 
Sie wünschen den Frieden und wollen nur so viel erreichen, als sich 
unter den heutigen Umständen erreichen läßt. 
Ich gebe Ihnen diesen Rat, und möchte wissen, ob Sie Ihr Volk 
zurückhalten können, daß es nicht Schwierigkeiten bereite, sondern 
durch sein friedfertiges Verhalten uns unsere Aufgabe und Arbeit zur 
Erzielung von Vorteilen für Serbien und Montenegro erleichtere. 
Schauen Sie, Österreich hat dem Sandschak Novi-Bazar entsagt, und das 
ist ein großer Vorteil; Österreich hat früher Montenegro und Serbien 
entzweit und konnte weiter vorgehen, jetzt verzichtet es darauf und das 
kommt dem serbischen Volke zugute. 
Hofft nicht auf unsere öffentliche Meinung und das, was die Zei¬ 
tungen schreiben. Was in den Jahren 1875 und 1876 geschah, kann 
sich heute nicht wiederholen. Unsere Parteien, die sich jetzt in der 
bosnischen Frage zusammenschließen, können uns wohl Schwierigkeiten 
bereiten, aber sie tun es aus den Triebfedern der inneren Politik und 
sie behandeln die Frage auch nur in der Absicht, um der Regierung 
Konzessionen in den inneren Fragen zu entwinden. Was sie aber auch 
tun, und wie große Schwierigkeiten sie der Regierung auch bereiten 
mögen, Ihr Serben könnt davon doch nichts gewinnen. Wenn Ihr 
meint, daß wir etwas für Euch erwirken sollen, müßt Ihr ruhig blei¬ 
ben und dürft Euch nicht hier in unsere inneren Parteikämpfe ein¬ 
misch en usw.“ 
Dies waren im allgemeinen die Gedanken Iswolskis. Darauf ant¬ 
wortete ich ihm folgendermaßen: 
„Gestatten Sie, daß ich Ihnen die volle Wahrheit sage, wie das ser¬ 
bische Volk denkt, fühlt und wie es handeln wird. Ich werde Ihnen 
nicht meine persönliche Meinung darlegen, sondern die tatsächliche 
Disposition und das Empfinden des serbischen Volkes. Ich glaube es 
Rußland schuldig zu sein, die volle Wahrheit zu sagen, handeln mögen 
Sie dann, wie Sie wollen. Sie müssen erfahren, wie das Volk denkt 
und fühlt und an Ihnen ist es dann zu entscheiden, wie Sie können. 
Das serbische Volk wurde durch die Ereignisse überrascht. Es meint 
durch die Annexion sei es um seine ganze Zukunft betrogen, der Fort¬ 
bestand Serbiens und Montenegros bedroht und der Augenblick ge¬ 
kommen, wo man alles einsetzen müsse zur Verteidigung der Zukunft, 
auch wenn man besiegt würde, weil es glaubt, daß das für seine Brü¬ 
der und seinen Fortbestand vergossene Blut gute Früchte tragen wird, 
wenn das Recht und die Moral einmal mehr gelten werden. Am Amsel¬ 
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