Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

Die Mächte der Tripelentente werden Serbien nicht hinderlich sein, 
seine letzten Siege billigerweise auszunützen und sie sind der Ansicht, 
daß Bulgarien die großen Opfer, welche es seinen Verbündeten von 
gestern auferlegt hat, erstatten müsse. 
Italien ist für das Prinzip des Gleichgewichtes und Deutschland 
beginnt einzusehen, daß ihm die herausfordernde Haltung Österreich 
hinderlich ist und unbequem wird für die Beziehungen Deutschlands 
zu den anderen Mächten. 
Der Aufenthalt des russischen Zaren in Deutschland anläßlich der 
Hochzeit der Tochter Kaiser Wilhelms hat unbestreitbar viel zu einer 
solchen Haltung Deutschlands Österreich gegenüber beigetragen. 
Ich habe erfahren, daß Minister Sasonow dem hiesigen russischen 
Botschafter Krupenski geschrieben habe, Zar Nikolaus habe in seinen 
Unterredungen mit Kaiser Wilhelm diesen zu überzeugen versucht, daß 
die Haltung Österreichs eine ständige Bedrohung des europäischen 
Friedens bilde. In russischen Kreisen ist man über diese Reise des 
Zaren befriedigt und glaubt jetzt, nach der Zusammenkunft des Kö¬ 
nigs von Italien mit Kaiser Wilhelm in Kiel, daß Zar Nikolaus mit sei¬ 
nen obenerwähnten Bemühungen in Berlin einen vollen Erfolg gehabt 
habe. 
In den hiesigen Kreisen der Gonsulta spricht man ziemlich offen 
davon, daß der Minister San Giuliano von seiner Reise viel weniger 
austrophil zurückgekehrt sei, als er hingegangen war. Es waren noch 
nicht zwei Tage seit seiner Rückkehr vergangen, als der vorerwähnte 
Artikel „Hegemonie und Gleichgewicht“ erschien. — Nach allem hat 
es also den Anschein, daß diesmal Österreich isoliert bleiben wird, 
wenn es versuchen sollte, gegen eine korrekte Lösung der Balkanfrage, 
wie sie sich jetzt nach der Niederlage Bulgariens aufdrängt, irgend¬ 
wie anzukämpfen. 
Deshalb hat das Gerücht von einer Teilmobilisierung der österreichi¬ 
schen Armee hier niemanden beunruhigt. 
Der italienische Botschafter in Wien meldet seiner Regierung, daß die 
Wiener Regierung diese Maßregel habe treffen müssen, wegen der 
Beunruhigung der Geister in Bosnien und Siebenbürgen. 
Der hiesige österreichische Botschafter selbst hat in einem Gespräche 
in der Gonsulta sich dahin geäußert, daß seine Regierung wirklich 
einen Fehler mit diesen Mobilisierungen begehe, wenn sie schon nichts 
Ernstliches zu unternehmen gedenke. — 
3öo
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.