Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

flüsse Zeit zur Einmischung gewonnen und daraus habe sich diese 
heutige mißliche Situation ergeben, die sehr gewich¬ 
tige Folgen für alle nach sich ziehen könne. Besonders 
für die Balkanvölker, die bisher immer nur vom Glück 
begünstigt gewesen waren. Seiner Meinung nach kann jetzt von 
Kompensationen für Montenegro, sei es in Landbesitz oder Geld (wie 
man früher angenommen hatte), nicht die Rede sein. 
Ich erfahre, daß von dieser Botschaft aus die Wiener Presse in ihrer 
scharfen Kampagne gegen alle diejenigen, welche die Erfolge Öster¬ 
reich-Ungarns behindern und der Durchführung seiner albanischen 
Politik im Wege stehen, ermutigt zu werden pflegt. 
Nr. 3o3. 
Der serbische Gesandte Spalajkowitsch, Sofia, 
an den Ministerpräsidenten Paschitsch in Belgrad. 
Streng vertraulich! Sofia, den 16-/29. April 1913. 
Wie es Ihnen bekannt ist, ist der hiesige englische Gesandte in die 
Details des serbisch-bulgarischen Streites vollkommen eingeweiht, ver¬ 
folgt dessen Entwicklung aufmerksam und wünscht uns Erfolg. 
Er sagte mir, daß Bulgarien nicht nur keinen Krieg mit Serbien 
wünsche, sondern einen solchen vielmehr fürchte. Anknüpfend daran 
machte er mir nachstehende charakteristische Mitteilung: General Pa- 
prikoff habe hier nach seiner Rückkehr aus Uesküb referiert, die 
Stimmung des serbischen Heeres und der öffentlichen Meinung sei eine 
solche, daß man mit der Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent behaupten 
kann, Serbien werde den südlichen Teil Mazedoniens nicht ohne Krieg 
an Bulgarien abtreten. Als dieser Gegenstand von den bulgarischen Ge¬ 
neralen in einer Sitzung diskutiert wurde, sprachen sich diese dahin aus, 
daß man, nachdem die Sache mit Serbien so stehe, sofort Krieg führen 
müsse. Hierauf stand General Fitscheff auf und frug: „Womit?“ So¬ 
dann sprach keiner ein Wort mehr darüber. 
Herr Geschoff bestätigte dem englischen Gesandten, daß die Sache 
mit Serbien derart stehe, daß Serbien sich schwerlich entschließen 
werde, Bitolj (Monastir) und Ochrida ohne Krieg an Bulgarien abzu¬ 
treten. Doch, erklärte er, er sei für die Arbitrage. 
Für Herrn Geschoff ist die Frage von Silistria viel wichtiger, da er 
der Ansicht sei, daß es in Bulgarien keine Regierung geben könne, 
welche eine Niederlage in dieser Frage überleben könnte. Die Sobranje 
wird in dieser Frage keinesfalls nachgeben, und deshalb fürchtet Herr 
Geschoff die schließlich unvermeidliche Regelung der Silistriafrage 
mehr als die Frage bezüglich Monastirs. 
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