Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

sant ist, daß der Schwiegersohn des Königs Nikola, Großfürst Nikolai 
Nikolajewitsch, vor der Publikation des Communiqués beim Zaren war, 
und daß es trotzdem veröffentlicht wurde. Man weiß ja, wie viele Fehler 
König Nikola noch vom Beginn des Krieges an begangen hat und zwar 
aus egoistischen Gründen, daß er jetzt für seine Popularität und für sei¬ 
nen Thron fürchtet und daß er alle Schuld auf Rußland und auf uns 
zu wälzen sucht. Mittlerweile weiß man, daß wir ihm zur Zeit als von 
der Skutarifrage noch gar nicht die Rede war, Hilfe angeboten haben, 
die er ablehnte. Eine Sache aber muß ich Ihnen bei diesem Anlaß mit- 
teilen. Insbesondere in den Zeitungen hat man jetzt angefangen, häufig 
von der Möglichkeit einer Abdikation des Königs Nikola und von der 
Vereinigung Montenegros mit Serbien zu schreiben. Heute habe ich dar¬ 
über mit dem Fürsten Trubetzkoi gesprochen und er sagte mir, er zweifle 
nicht, daß die serbische Regierung die Gefährlichkeit der Verbreitung 
solcher Gerüchte erkennt, die auf König Nikola einen sehr schlechten 
Eindruck machen und Österreich-Ungarn einen Vorwand bieten könnten, 
sich in die Sache einzumengen und sie auszubeuten. Jetzt, sagt er, 
braucht man davon gar nicht zu sprechen, sondern man muß sie der 
natürlichen Entwicklung der Dinge überlassen. Nur wünscht er uns auf¬ 
merksam zu machen, daß man hier benachrichtigt ist, es gäbe in Mon¬ 
tenegro serbische Agenten, die solche Nachrichten verbreiten. Ich er¬ 
widerte sofort, in Montenegro gäbe es nur eine Gesandtschaft und keine 
serbischen Agenten, wer weiß welche und wessen Agenten unter der 
Maske serbischer Agenten stecken. 
Neulich unterhielt ich mich mit Herrn Delcassé und obwohl ich ihn 
erst seit kurzem kenne, so besuche ich ihn doch häufiger und bemühe 
mich, gute Beziehungen mit ihm zu erhalten, denn er hat hier und in 
Paris großen Einfluß. Ich sprach mit ihm im allgemeinen über unsere 
Grenzen mit Bulgarien und Mazedonien; ich legte ihm unsere ganze Ar¬ 
gumentation auf Grund Ihrer vertraulichen Weisung dar und vergegen¬ 
wärtigte ihm sodann auch andere Umstände, die gegen die übertriebene 
Vergrößerung Bulgariens sprechen, aber in einem Ton und einer Weise, 
die nicht den Charakter einer Intrigue hatte. Ich sagte ihm, 
daß Bulgarien, das erst kaum 35 Jahre existiere, zu rasche Fortschritte 
gemacht habe, und daß diese eine sehr große Ambition verursacht haben., 
welche sowohl für die Balkanstaaten als auch für Rußland, somit auch 
für den Dreiverband gefährlich werden könnte. In unserem gemeinsa¬ 
men Interesse sei es daher gelegen, daß Bulgarien mit seiner Verblen¬ 
dung aufhöre. Wir Balkanstaaten können kein „Balkanpreußen“ dulden, 
welches Gelüste hätte, auf der Balkanhalbinsel die Hegemonie an sich zu 
reißen. Für Rußland und dem Dreiverband bestehe die Gefahr darin, 
daß Bulgarien nach Beendigung dieses Krieges, wenn es die slawische 
Politik nicht mehr brauchen werde, sich auf einmal zu Österreich-Un¬ 
garn schlage, gegen uns. Denn die Bulgaren sind große Opportunisten, 
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21 Boghitschewitsch, Serbien.
	        
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