Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

suchen unsere dortigen Militärbehörden, das eroberte Gebiet nicht zu 
verlassen, da sie bei Serbien verbleiben möchten. Von unseren dies¬ 
bezüglichen Verhandlungen mit Rumänien braucht niemand etwas zu 
wissen. 
Nr. 2 52. 
Der serbische Gesandte Ristitsch, Bukarest, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Pov. br. 342. Bukarest, den 14./27. Dezember 1912. 
Aus meiner Depesche, welche ich Ihnen gestern abend zu senden die 
Ehre hatte, konnten Sie ersehen, daß ich gestern mit dem Minister des 
Innern, Herrn Take Jonescu, eine längere Unterredung gehabt habe. 
Die Persönlichkeit dieses rumänischen Staatsmannes ist viel zu gut be¬ 
kannt, als daß es notwendig wäre, über ihn und seinen Einfluß auf die 
Außenpolitik des rumänischen Königreiches, soweit die Minister in 
dieselbe dreinzureden haben, besonders zu betonen. 
Ich werde mich bemühen, Ihnen in vorliegenden Zeilen seine Erklä¬ 
rungen so genau wie möglich wiederzugeben. Wenn Sie auch zwar 
nicht stets wörtlich angeführt sind, so ist ihr Sinn trotzdem genau 
wieder gegeben. 
Herr Jonescu glaubt erstens nicht an einen europäischen Krieg. „Europa 
will den Frieden“ — wie er meint—, „diesen wünscht sowohl Kai¬ 
ser Wilhelm wie Kaiser Franz joseph — aber auch unser König 
Carol will ihn, und er hat auch diesen beiden Herrschern einige Briefe 
in diesem Sinne geschrieben. Wenn Sie auch, Herr Ristitsch, indem Sie 
sich auf die Logik der Ereignisse und die Lehren der Geschichte be¬ 
rufen, annehmen, daß das heutige Problem, welches schon seit so vielen 
Jahrhunderten besteht, nicht ohne große Erschütterung geregelt werden 
könne, rechne ich dennoch damit, daß dieser Erschütterung ausgewichen 
werden kann, denn wie ich sagte, wünschen die Großmächte keinen Krieg. 
Wenn ich von Großmächten spreche, so meine ich nur diese drei: 
Deutschland als Militärmacht, England als Seemacht und Frankreich 
als Finanzmacht. Rußland, Österreich-Ungarn und Italien, besonders 
letzteres, können als Großmächte nicht in Rechnung gezogen werden.“ 
„Wäre icli ein Serbe, so würde ich mich mit dem, was Serbien ge¬ 
mäß den in London getroffenen letzten Vereinbarungen erhalten hat, 
zufriedenstellen. Es ist klug, daß Maximum von dem zu verlangen, 
was erreichbar erscheint. Aber man darf nicht etwas noch darüber hin¬ 
aus begehren, besonders das nicht, was man erwünscht. An 
eurer Stelle hätte ich z. B. Österreich-Ungarn nicht getrotzt und dem 
serbischen Heere nicht den Vormarsch zum Adriatischen Meere befohlen. 
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