Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

sprechen, nichts, was gegen die Interessen Rußlands wäre, tun zu 
wollen. Herrn Sasonow sagte er, er sei Rußland gegenüber wie ein 
Soldat vor seinem Vorgesetzten, und wiederholte mehrmals das Wort 
„Auf Befehl“. Ferner sagte er: „Ich bin zwar in Montenegro König, 
aber Rußland gegenüber bin ich nur ein Vollstrecker seiner Befehle.“ 
Das ist alles, worüber er mit den russischen Staatsmännern sprach, 
allein es ist, wie Herr Nelidow sagte, möglich, daß er mit Herrn Kokow- 
zew auch gewisse finanzielle Fragen besprochen und vom Kriegs¬ 
ministerium Munition verlangt hat. 
Bei diesem Stande der Dinge darf man von diesem Besuch nur für 
den Frieden günstige Resultate erwarten, was gegenwärtig Rußland auf¬ 
richtig Und ohne Hintergedanken wünscht. 
Über die Frage des Raschko-Prizrener Metropoliten wiederholte Neli¬ 
dow dasjenige, was er bereits dem Gesandtschaftssekretär gesagt hatte 
und was ich bereits die Ehre hatte, Ihnen mitzuteilen, nämlich, daß die 
Aktion des Herrn Gregowitsch und überhaupt der Besuch des Königs 
Nikolaus in Petersburg die Haltung Rußlands in dieser Frage nicht im 
geringsten beeinflußt habe. Demgemäß ist auch das Verhalten Tschari- 
kows unverändert geblieben, der im Einvernehmen mit Herrn Nenado- 
witsch über diese Frage zu verhandeln wünscht. 
In letzter Zeit ist viel über die Verbesserung der österreichisch-russi¬ 
schen Beziehungen geschrieben worden und im Zusammenhänge damit von 
einem Besuch des Erzherzogs Franz Ferdinand und des Grafen Berchtold 
in Petersburg die Rede gewesen. Nelidow stellt die Nachricht von einem 
solchen Besuche in Abrede, wenigstens für die nächste Zukunft. Der 
Zar, sagte er, wird um die Mitte des Monats März in die Krim gehen 
und dort zwei Monate bleiben, dann hierher zum Sommersejour zurück¬ 
kehren, wobei er niemand empfangen will, und sodann wieder nach dem 
Süden gehen. Daher erscheint es unwahrscheinlich, daß Erzherzog Franz 
Ferdinand jetzt nach Rußland kommen werde. Was aber den Graf 
Berchtold anbetrifft, so wisse Nelidow davon gar nichts, er glaube viel¬ 
mehr, Graf Berchtold könnte erst nach einem Besuche in Berlin und 
Rom nach Petersburg kommen. Bezüglich der Beziehungen zwischen 
Rußland und Österreich-Ungarn sagte mir Nelidow, daß es schon bald 
nach der bosnischen Krise notwendig gewesen sei, daß dieselben so be¬ 
schaffen seien, „daß sie Besprechungen zwischen Petersburg und Wien 
für den Fall irgendwelcher Ereignisse auf dem Balkan“ zuließen, daß 
aber trotzdem ein solcher Zustand weit entfernt von einem politischen 
Einvernehmen sei. Indessen leugnet Nelidow nicht, daß durch den Tod 
des Grafen Aehrenthal ein Hindernis für die Verbesserung der Be¬ 
ziehungen aus dem Wege geräumt sei und daß auch Graf Berchtold 
jetzt auf eine Besserung der Beziehungen hinarbeite. Außerdem gibt er 
zu — obwohl er persönlich kein Anhänger der Idee eines Einvernehmens 
zwischen Rußland und Österreich-Ungarn sei, denn Rußland habe bis¬ 
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