Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

morgen, Donnerstag, statt morgen, Mittwoch, empfangen werde. Ich 
werde nicht unterlassen zu versuchen, seine Meinung in dieser Frage 
zu erfahren und werde dann die Ehre haben, Ihnen darüber Bericht zu 
erstatten. Heute gelang es mir, nur den türkischen Geschäftsträger 
Hikmet Bey zu sehen. Er glaubt zwar nicht an die Unabwendbarkeit 
eines ^Krieges, aber er leugnet auch nicht seine Möglichkeit. Die Türkei 
wird sich, wie er sagt, mit allen Kräften gegen eine Okkupation von 
Tripolis stemmen. Sie hat bereits Truppen dorthin gesandt und rech¬ 
net auch auf die Unterstützung der dortigen einheimischen Bevölke¬ 
rung, die äußerst kriegerisch gestimmt ist. Selbstverständlich kann 
sich, sagte er, die Türkei zu Wasser nicht mit Italien messen, das 
eine sehr starke Flotte besitzt. Auf meine Frage, ob er aus Konstan¬ 
tinopel einen Auftrag habe, die Intervention der österreichisch-unga¬ 
rischen Regierung im Sinne einer friedlichen Lösung des türkisch- 
italienischen Konfliktes nachzusuchen, wie dies gestern einige Zeitun¬ 
gen meldeten, antwortete mir Hikmet Bey, er habe einen solchen Auf¬ 
trag nicht erhalten, und daß er noch gar nicht wisse, welche Haltung 
Österreich-Ungarn in dieser Frage einnehmen wird. Auf meine Frage, 
ob er nicht fürchte, daß ein eventueller türkisch-italienischer Krieg 
Verwicklungen in der europäischen Türkei hervorrufen könnte, er¬ 
widerte er mir, dies sei nicht der Fall, denn die Türkei würde selbst 
im Falle eines Krieges mit Italien ihre militärischen Kräfte in der 
europäischen Türkei nicht verringern und würde daher jederzeit hin¬ 
länglich stark sein, um irgendwelche Versuche zur Erreichung von 
Gebietsvergrößerungen im Keime zu unterdrücken. 
Von privater Seite erfahre ich, daß der montenegrinische Minister 
des Äußern, Herr Gregowitsch, der sich hier aufhält, vorige Woche 
eine lange Besprechung mit dem Grafen Aehrenthal hatte. 
Auf der heutigen Wiener Börse herrschte eine Panik und fast alle 
Papiere fielen im Kurse. Skodaaktien fielen um 3o—/»oo/o. 
Nr. i48. 
Der serbische Geschäftsträger Milojewitsch, Sofia, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Sofia, den 17./00. September 1911. 
In Ergänzung meines heutigen Telegramms beehre ich mich Ihnen 
mitzuteilen, daß Herr Nekljudow1) Herrn Todoroff* 2) geraten hat, 
zuerst und vor allem zu einem Übereinkommen mit Serbien zu gelangen 
*■) Russischer Gesandter in Sofia. 
2) Bulgarischer Finanzminister, Stellvertreter des Ministers des Äußern. 
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