Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

Serbien führe, begrüßen könnten; der englischen Regierung sei 
es aber unmöglich, amtlich zu vermitteln, obzwar sie 
bereit sei, in passender Form und zu passender Zeit „par un mot 
ci — par un mot lä“ ihre Disposition in dieser Richtimg zu bekun¬ 
den. Sir Charles fügte hinzu, daß ein Ratschlag, auch in der ihm an¬ 
gedeuteten Form, gute Folgen haben könnte; denn der Abschluß der 
Einigung hängt doch hauptsächlich von den Serben und Bulgaren und 
von der richtigen Erfassung der gemeinsamen Interessen ab. Die Eini¬ 
gung kann, sagte er, auch ohne formelle Verträge Zustandekommen. Als 
Beispiel dient die Entente cordiale, die auf keinen Vertrag gegründet ist, 
sondern sozusagen spontan entstanden ist, als man beiderseits die So¬ 
lidarität der Interessen Englands und Frankreichs erkannte. Eine solche 
Interessensolidarität besteht auch zwischen Serbien und Bulgarien und 
der beiderseitigen Annäherung steht nichts im Wege. Ich antwortete, 
daß schon mehrere Versuche in diesem Sinne bis jetzt gemacht worden 
seien, wobei man unsererseits viel mehr guten Willen, Aufrichtigkeit und 
Verständnis für die wahren Interessen gezeigt habe, als von seiten 
Bulgariens. Sir Charles gab dies zu und meinte, Bulgarien habe bisher 
nur ein Ziel vor Augen gehabt: die Unabhängigkeit. Es habe die¬ 
ses Ziel erreicht und dürfte daher jetzt seine Aufmerksamkeit eher 
auf die Allgemeinheit, auf die gemeinsamen Interessen lenken. Sir 
Charles bemerkte ferner, daß die letzte Balkankrise möglicherweise 
anders ausgefallen wäre, wenn wir schon von allem Anfang an mit 
den Bulgaren einig gewesen wären. Ich entgegnete, wir hätten nach 
erfolgter Unabhängigkeitserklärung Bulgariens bekanntgegeben, daß wir 
durch diesen Akt in unseren nationalen Interessen keineswegs tangiert 
seien, uns vielmehr aufrichtig freuten, daß ein bluts- 
und glaubensverwandtes Volk sich endlich von der Tür¬ 
kei befreit habe1); Sie selbst, Herr Minister, haben bei Ihrer An¬ 
wesenheit hier den bulgarischen Geschäftsträger privatim beglück¬ 
wünscht und schließlich war Se. Majestät unser König einer der ersten, 
die den bulgarischen König offiziell beglückwünschten. Dies alles, in 
Verbindung mit dem früher Angeführten, bestätigt, daß wir seit ge¬ 
raumer Zeit schon eine Annäherung an Bulgarien ersehnen und uns 
einst und aufrichtig darum bemühen. 
Sir Charles versicherte mir, daß alles, was Serbien und Bulgarien 
in diesem Sinne unternehmen, volle Zustimmung und Unterstützung der 
englischen Regierung finden werde. 
Als ich schließlich die Sprache auf die Zusammenkunft des deut¬ 
schen Kaisers und des Kaisers von Österreich und auf die daran¬ 
geknüpften Erklärungen brachte, zuckte Sir Charles mit den Achseln 
und sagte, man darf nicht auf das Sprichwort vergessen „wer zuletzt 
lacht, lacht am besten/' Er fügte hinzu: „nur zwei Jahre soll der 
1) Gleichzeitig bemühte man sich serbischerseits um eine Annäherung an die Türkei. 
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