Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

Nr. 89. 
Der serbische Geschäftsträger Gruitsch, London, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Telegramm: London, den i3./26. März 1909. 
Hardinge teilt mir mit: „Es ist wahr, Xswolski hat dem deutschen Bot¬ 
schafter formell erklärt, daß Rußland die Annexion anerkennen wird, 
wenn Österreich dies verlangt; Iswolski tut dies, ohne sich mit den 
Mächten verständigt zu haben; die Erklärung ist eine wirk¬ 
liche Überraschung; keine andere Macht hat eine ähnliche Er¬ 
klärung abgegeben; Deutschland hat dasselbe auch von England ver¬ 
langt, was jedoch von England mit der '.Bemerkung abgeschlagen 
wurde, daß die Behandlung der Frage über die Anerkennung der An¬ 
nexion von einer vorangehenden friedlichen Lösung der ser¬ 
bisch-österreichischen Frage abhängt; die Haltung Englands hat sich 
auch nach der Erklärung Rußlands nicht geändert.“ 
Er werde auch weiterhin in Wien und Belgrad nach dem früheren 
Plane arbeiten. Hardinge gab deutlich seine Unzufriedenheit 
mit dem Vorgehen Rußlands zu erkennen, wenn er es auch 
vermied, jenes Vorgehen ausdrücklich zu kritisieren. 
Nr. 90. 
Der serbische Gesandte Popowitsch, Petersburg, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Telegramm: Petersburg, den 14-/27. März 1909. 
Heute morgen hat Tscharikow die Lage für verzweifelt angesehen, 
denn — sagte er — die Aussichten, Österreich-Ungarn vor einem An¬ 
griffe gegen Serbien zurückzuhalten, seien sehr schwach und auch Is¬ 
wolski denke ebenso. Kurz zuvor habe ich Iswolski gesehen und er 
bestreitet das. Er sagt, daß Österreich-Ungarn ein Ultimatum erst 
stellen werde, wenn die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen. 
Diese Verhandlungen dauern indessen noch an. Er arbeitet darauf hin, 
daß Serbien eine Anerkennung des österreichisch-türkischen Protokolls 
nicht aussprechen müsse, jede andere Formel könnten wir dagegen 
annehmen. Die Lage sei sehr kritisch und die russische Regierung 
biete alles auf, um Serbien vor einer Invasion zu retten, die das Ende 
von allem bedeuten würde. Die russische Regierung gebe sogar auch 
ihre Würde preis, denn unsertwegen habe sie in diesen letzten Schritt 
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