Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

Man spricht von der Verhaftung eines russischen Offiziers in Lem¬ 
berg, der bei der Spionage betroffen worden sei.“ 
Gestern früh hat Graf Khevenhüller im hiesigen Ministerium des 
Äußern den Entwurf der Note des Barons Aehrenthal für die in Bel¬ 
grad zu übergebende Note überreicht. Die französische Regierung 
hat ebenso wie England den Text des Entwurfes abgelehnt und, 
wie ich verständigt worden bin, wird jetzt (d. i. seit gestern) an einer 
neuen Fassung gearbeitet. — Indessen ist es wahrscheinlich, daß 
auch Wien nach dem Erfolge in Petersburg nachgiebiger sein wird 
und daß Sie bald eine Note erhalten werden, die auch von unserer 
Seite wird angenommen werden können. Crozier hat gestern de¬ 
peschiert, es gebe in Wien eine starke Kriegspartei, ohne näher zu 
bezeichnen, wer diese Partei bildet. Er fügte hinzu, daß sie auf Aehren¬ 
thal stark ein wirke, „der ihr schwer würde Widerstand leisten können“. 
Ich habe Herrn Pichon in der heutigen Unterredung sowohl Ihr Tele¬ 
gramm von gestern abend als auch den obigen Passus aus dem Prager 
Briefe meines Freundes mitgeteilt. Auch er glaubt, trotzdem auch seine 
Berichte aus Österreich-Ungarn pessimistisch sind, daß Österreich-Un¬ 
garn nicht werde weitergehen können, nachdem es in der Hauptfrage 
durch Rußland befriedigt sei. Und ich selbst glaube außerdem, daß 
auch Berlin — nach dem unzweifelhaften Erfolge in Petersburg — auf 
Wien im versöhnlichen Sinne einwirken werde. Wenn Europa formell 
den Akt der Annexion anerkennt, können wir allein dagegen nicht an¬ 
kämpfen. Uns bleibt die Zukunft, aber eine Zukunft, die 
man nicht lediglich abwarten muß, sondern auf die es 
gilt sich vorzubereiten, und zwar durch ernste und hin¬ 
gebungsvolle Arbeit. 
Nr. 85. 
Der serbische Gesandte Popowitsch, Petersburg, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Telegramm: Petersburg, den 12-/25. März 1909. 
Morgen wird in Wien die Formel mitgeteilt werden, welche Iswolski 
verbessert hat, und der französische Botschafter glaubt, daß Österreich- 
Ungarn sie wird annehmen müssen, wenn es de bonne foi sei. Er meint, 
daß wir sie annehmen sollten, überhaupt daß wir alle Opfer bringen 
sollen, wenn diese in Worten bestehen, denn sonst sei die Integrität Ser¬ 
biens in Gefahr. Auch sei die Lage für uns ungünstig, denn nach seiner 
Ansicht wären Deutschland und Österreich-Ungarn militärisch besser 
vorbereitet und stärker als Frankreich und Rußland. Bezüglich der Mög- 
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