Volltext: Kopf und Herz des Weltkrieges

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Erich Ludendorff bis 1914 
zum Alten Dom, der noch unbeeinflußt ein gutes Stück Preußen 
tums versinnbildlichte, stand die erwartungsvolle Menge tatsäch 
lich wie eine Mauer. Als die Wachtparade nahte, verlor man den 
Boden buchstäblich unter den Füßen und wurde in einer jubelnden 
Volksmenge hin und her geschoben. Meterweise vom Fenster ent 
fernt, um dann wieder vor dasselbe hinzufluten. Nach Hause 
zurückgekehrt, erzählte meine Mutter, die sich selbständig aufgemacht 
hatte, daß sie zu gleicher Zeit und in gleicher Weise „geflogen" wäre. — 
Ich möchte aus meiner Erinnerung noch weiter die Ludendorffsche 
an Kaiser Wilhelm I. ergänzen: Die Heldengestalt war übermäßig 
groß, noch im 90. Lebensjahre. — Anläßlich der Grundsteinlegung 
der Holtenauer-Schleuse zum Nord-Ostsee-Kanal am 3. Juni 1887 
sah ich ihn von Bord eines der offiziellen Privatdampser, die S.M.S. 
Pommerania von Holtenau aus zur Flottenparade bei überaus 
stürmischem Wetter begleiteten. Der hohe Herr hatte die große 
Freude auf dem Verdeck des kleinen Schiffes von seiner Tochter 
Luise von Baden überraschend begrüßt zu werden. Kaum ging die 
Kaiserftandarte 
hoch, zerriß sie im Sturmwind in Fetzen. Der Kaiser zog sich aus 
dieser Fahrt, ohne Mantel, das Haupt vielfach entblößt, eine schwere 
Erkältung zu. — Unmittelbar vor seiner Abfahrt, bis mein Vater, 
als Eisenbahnbetriebsdirektor, die Abfahrtszeit des Zuges meldete, 
konnte ich ihn im Vestibül wohl eine Viertelstunde lang hören und 
beobachten. Ich werde nie die überaus herzliche Liebe zu der jubelnden 
Volksmenge draußen, der er sich immer wieder zeigte, und den 
Ton seiner klaren Stimme vergessen. Er hatte an der einen Hand 
seine Tochter, an der anderen mein kleines Schwesterchen, das ihm 
Blumen überreicht hatte. Er trug die gelbe Kürassiermütze und es fiel 
mir auf, daß die etwas großen Ohren über den Mützenrand reichten. 
Wenn alle diese Erinnerungen, durch Ludendorff angeregt, vor 
der Seele vieler auftauchen, die noch den alten Kaiser und den 
Kronprinzen Friedrich Wilhelm, sowie dessen tragisches Schicksal, 
nach den ioo Regierungstagen als Friedrich III., erlebt haben, 
so fragt man jetzt, nach den gewissenhaften Mitteilungen des Ungarn 
Szek von den Endzielen der Großloge Englands, war der frühe 
Tod des Kaisers Friedrich nach dem schweren duldenden Siechtum, 
mit dem Spruch auf den Lippen: 
„Lerne leiden ohne zu klagen"
	        
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